Full text: E. Debes' Schul-Atlas für die Oberklassen höherer Lehranstalten

Erläuterungen zu den 
Volksdichte - Karten. 
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engmaschiges Eisenbahnnetz den Austausch der Güter be¬ 
fördert. Nicht ganz so dicht bevölkert ist das Apenninen- 
land und Sicilien, obwohl in Gegenden ausnahmsweise 
hoher Fruchtbarkeit und Verkehrsgunst (Genua, Neapel, 
Catania) das Volk ähnlich sich anhäuft wie in Oberitalien. 
Sardinien und Corsica besitzen nur mittelmäfsige Volks¬ 
verdichtung, denn sie sind von Gebirgen erfüllt und in 
der Kultur, vor allem im Ausbau der Verkehrswege zurück¬ 
geblieben. 
Das sind gerade auch die Ursachen der in ganz Süd¬ 
westeuropa einzig dastehenden Geringfügigkeit der Volks¬ 
menge auf der pyrenäischen und auf der erst allmählich 
von türkischer Mifswirtschaft sich erholenden Balkanhalb¬ 
insel. Dabei erinnert das Dichtebild der Pyrenäenhalb¬ 
insel doch an dasjenige seiner Benetzung (s. Karte 29): 
die menschenreicheren Küsten sind eben durch den Frucht¬ 
barkeitshebel reichlicherer Niederschläge vor dem trock- 
neren Binnenland bevorzugt, aufserdem freilich auch durch 
die nur ihnen gewährte Befähigung zum Seehandel (und 
daneben zum Seefischfang); die Pyrenäen selbst beweisen, 
dafs auf gebirgigem Boden trotz Regenfülle die Menschen¬ 
zahl ebenso sinken kann wie auf den steppenhaften Ebenen 
Castiliens. 
Bei weitem die höchsten Dichtegrade in Europa hat 
der Vorrat von Steinkohlen und Eisenerz seit etwa hun¬ 
dert Jahren hervorgebracht d. h. seitdem jene Fossilien die 
Grundlage geworden sind für die gewinnreichste Bethäti- 
gung menschlichen Fleifses, für die Industrie. Dadurch 
erst schwang sich die Insel Grofsbritannien an Volkszahl 
über das gröfsere Italien empor und wurde Belgien (mit 
einer über 200 gehenden Mitteldichte) der am dichtesten 
bevölkerte selbständige Staat der ganzen Erde. 
Deutschland (No. 53). 
Diese Karte stellt die Verdichtungsgrade absichtlich 
von geringerer Höhe dar als sie dem vollen Mittelwerte 
nach an Ort und Stelle gefunden werden. Alle Städte 
nämlich von mehr als 20000 Bewohnern sind von der 
Berechnung der Mitteldichte ihrer Gegend ausgeschlossen 
worden, wohl aber in Form von schwarzen Kreisen je 
nach ihrer Gröfse eingezeichnet. 
Aufs leichteste überzeugt man sich hierdurch, wo 
das Erblühen gröfserer Städte mit der stärkeren Bevölke¬ 
rungszahl des betreffenden Landstrichs zusammenfällt und 
wo nicht. Meistens ist das erstere der Fall: weitaus die 
meisten grofsen Ansiedlungen Mitteleuropas fallen in solche 
Flächen, welche auf dem platten Lande und innerhalb der 
Kleinstädte dermafsen volkreich sind, dafs schon ohne die 
Orte über 20000 Einwohner auf jedes Quadratkilometer 
im Mittel mehr als 150 Menschen entfallen. Das ursäch¬ 
liche Verhältnis kann dabei ein dreifaches sein: 1. die 
günstigen- Lebensbedingungen können unabhängig vonein¬ 
ander Dörfer, kleine und grofse Städte an Bewohnerzahl 
wachsen machen (so die Bodenfruchtbarkeit und das ge¬ 
deihliche Klima der oberrheinischen Tiefebene, der Erz- 
und Steinkohlenreichtum an den Kändern, besonders am 
Nordrande des rheinischen Schiefergebirges sowie in Ober¬ 
schlesien), 2. die Städte vermögen in volkreicheren Gegen¬ 
den ansehnlicher zu wachsen, indem sie durch Aussicht 
auf besseren Verdienst die Leute aus den umliegenden 
Ortschaften zur Übersiedelung einladen (Leipzig z. B. ver¬ 
mochte das weit mehr als München), 3. eine grofs ge¬ 
wordene Stadt erhöht durch vermehrten Absatz der Er¬ 
zeugnisse den Verdienst der nächsten Nachbarschaft, steigert 
daher deren Volksdichte, wie Hamburg, Bremen und Lübeck, 
Prag und Wien darthun. Berlin dagegen, erkennen wir, 
würde niemals zur zweitgröfsten Stadt des europäischen 
Festlandes erwachsen sein, wenn es mit seiner märkischen 
Umgebung mäfsiger Fruchtbarkeit abgeschlossen für sich 
gleichwie mitten im'Ozean läge; aber seine Mittellage in 
der nordostdeutschen Niederung an der Kreuzungsstelle 
der wichtigsten Verkehrsstrafsen und die Erhebung zum 
preufsischen, zum deutschen Herrschersitz hat die Stadt 
auf armem Boden grofs werden lassen. 
Im übrigen zeigt uns die Karte noch einmal deut¬ 
lich die Hauptursachen, welche die Menschheit enger zu¬ 
sammenscharen: Boden- und Klimagüte, geeignete Han¬ 
delslage, örtliche Begünstigung des Grofsgewerbes. 
Die wundervolle Gebirgswelt der Alpen ist bei ihrem 
Aufragen in mehr und mehr unwirtliche, zuletzt völlig 
unbewohnbare Höhengürtel der am undichtesten bevölkerte 
Teil Mitteleuropas. Diesem Hochgebirge und seinem aufser- 
schweizerischen Vorland schliefst sich mit einer das Durch- 
schnittsmafs mitteleuropäischer Volksdichte von 90 meistens 
nicht erreichenden Bevölkerung das norddeutsche Tiefland 
an: ein merkwürdiger Beweis, wie die gleichartige Grund¬ 
lage eines zwar überwiegend ebenen, aber nichi sonderlich 
ergiebigen Diluvialbodens auf der Donauhochfläche wie in 
unserem Norden das Menschenleben ähnlich beeinflufst. 
Der fruchtbarere Molasseboden des Alpenvorlandes der 
Schweiz (wo zugleich mannigfacher Gewerbfleifs blüht) 
reicht bereits über die Mittelstufe von 90, ähnlich die 
Gegend der Flufs- und Meeresmarschen in den Nieder¬ 
landen und der sehr ergiebige Flachlandboden Belgiens 
mit seiner auch die nahen Kohlenschätze industriell bestens 
nutzenden Bewohnerschaft. Dichter bevölkert sehen wir 
selbst in der nordöstlichen Niederung das weizenreiche 
Weichseldelta und die löfshaltigen Striche vor dem Fufse 
der deutschen Mittelgebirge von Schlesien bis an die 
Wesergebirge.
	        
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