Full text: Landschaft im oberschlesischen Industriebezirk (Nr. 3)

8 
auf, ein „Schacht" wird abgetäuft, und der ehrsame Bergmanns- 
stand hält seinen Einzug in die Gegend. Die Dampfventile der 
Fördermaschinen beginnen zu fauchen, über dem Schacht erhebt 
sich der Förderturm, das Bergglöcklein ruft die Knappen zur 
Arbeit, und bald lagern auf dem Grubenhofe lange Reihen von 
aufgeschütteten Kohlenstücken, die Kohlenhalden. 
Hatte der Hüttenbetrieb den ausgedehnten Wald beinahe 
vernichtet, so ging der Bergbau der Landwirtschaft hart zn Leibe. 
Man merkte wohl anfangs nichts von der Arbeit des Berg- 
manns, hin und wieder hörte man nur in stiller Kammer ein 
dumpfes Dröhnen, wenn tief unten ein Sprengschuß entzündet 
wurde. Aber mit der Zeit gingen an der Oberfläche der Erde 
erschreckende Veränderungen vor. Mitten in die Felder hinein 
klafften lange Risse, die sich von Tag zn Tag verbreiterten. 
Da und dort geriet die Erde iu kreisende Bewegung, senkte sich, 
und ein tiefer Trichter gähnte dem Wanderer entgegen. Der 
Landmann floh entsetzt aus der gefährlichen Gegend und über- 
ließ den Boden sich selbst, der bald einen verwilderten Charakter 
annahm. Was war da in der Tiefe geschehen? Die abgebauten 
Strecken waren vom Bergmann verlassen worden, auf dem 
Gewölbe der hohlen Räume lasteteu mit furchtbarem Druck die 
oberen Erd- und Gesteinsschichten, bis eines Tages der Druck 
siegte und die Decke zusammenstürzte. Der Bruch setzte sich bis 
zur Oberfläche fort, die Brüche folgten dem Bergbau auf dem 
Fuße, und über Tage entwickelte sich das unheimliche Bruch- 
feld, dem die Landwirtschaft, Hütten, Häuser, ja sogar ganze 
Kolonien zum Opfer fielen. 
Nicht immer stürzten die abgebauten Strecken sofort ein, das 
„Gebirge" über ihnen hielt trotzig den furchtbaren Druck aus. 
Durch die in undurchdringlicher Nacht und tiefem Schweigen 
liegenden Stollen strich die kühle Luft, die an irgend einem 
Punkte des Bergwerks Zutritt in die Tiefe gefunden hatte. 
Unter ihrem Hauche beginnt in dem stillen Revier ein sonder- 
bares Leben. Die Kohlenstänbchen trinken gierig den Sauerstoff 
der Luft, so gierig, daß sie vor Freude erglühen und ein leises 
Knistern hören lassen. Immer zahlreicher werden die feurigen 
Augen, immer stärker wird das Knistern, immer heftiger drängt
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.