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Zu Speyer, der alten Raiserstadt,
da liegt auf goldner Lagerstatt
mit mattem Aug', mit matter Hand
derKaiserHeinrich, derFünfte genannt.
Die Diener laufen hin und her,
der Kaiser röchelt tief und schwer; —
und als der Tod ans Herze kam,
da töõnt's auf einmal wundersam.
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Die kleineGlocke, die langeverstummt,
die Armesũünderglocke summt;
und keine Glocke stimmet ein,
sie summet fort und fort allein.
Da heilst's in Speyer weit und breit:
„Wer wird denn wohl gerichtet heut?
Wer mag der arme Sünder sein
Sagt an, wo ist der Rabenstein?“
v. Oor.
116. Sprichwörter.
Leere Töpfe klingen hohl. Eile mit Weile! Das schlechteste Rad
am Wagen knarrt am meisten. Der Hausfrau Augen kochen gut. Zwei
harte Stein' mahlen selten klein. Aus kleinem Fünklein entsteht ein
großes Feuer. Man ehrt den Baum des Schattens wegen. An den
Federn erkennt man den Vogel. Durch Schaden wird man klug. Auf
einen Hieb fällt kein Baum. Durch wiederholte Streiche fällt auch die
stärkste Eiche. Mit Speck fängt man Mäuse. Wider den Tod kein
Kraut gewachsen ist. Ohne Saat erblühet keine Ernte.
117. Die Saale.
1. Auf dem quellenreichen Fichtelgebirge, am nördlichen Abhange
des großen Waldsteines, in einer Höhe von ungefähr 700 Meter ent—
springt die Saale, die, zum Unterschiede von der in den Main fließenden
fränkischen, die thüringische oder sächsische genannt wird. Unter einem
Felsblocke zwischen zwei Buchen kommt sie hervor. In früherer Zeit
standen neben der Quelle die Modelle einer Schneidemühle, eines Hammer—
werkes u. s. w., um dadurch die zukünftige Arbeit des Flusses anzudeuten;
aber die Hand eines rohen Menschen hat diese Anlage zerstört. Jetzt
findet man in der Nähe der Quelle einen kleinen, auf granitenen Pfeilern
ruhenden e
Die Saale ist Thüringens größter Fluß. Ihr Lauf beträgt bis
zur Mündung in die Elbe 62 Meilen. Die gerade Linie, die den Quell—
punkt mit der rein nördlich davon gelegenen Mündung verbindet, ist
28 Meilen lang. Der Fluß biegt von dieser Linie erst östlich, dann
in einem großen Bogen nach Westen, hierauf wieder östlich und zuletzt
westlich ab./
Der Oberlauf der Saale reicht von der Quelle bis nach Saal—
feld. Bis dahin begleiten das rauschende Gewässer die Höhen des
sächsischen Berglandes, links die Berge des Frankenwaldes. Vielfach
gewunden ist der Lauf; in das Schiefergestein tief eingeschnitten sind die
Thäler, wildschön die Gründe, waldig die Berge, grasreich die Wiesen.
Bei dem Dorfe Blankenstein, da, wo ungefähr in der Mitte des Ober—
laufs die kleine Selbitz links einmündet, betritt die Saale thüringisches
Gebiet. Unbedeutend sind die Nebenflüsse der obern Saale. Nur der
Wiesenthal, die an Schleiz, der Residenzstadt des Fürstentums d
jüngerer Linie, vorüberfließt, sei gedacht. Die Saale berührt in ihre
Oberlaufe die bayerische Stadt Hof, das reußische Städtchen Saalburg,
das reizend gelegene Burgk und den preußischen Ort Ziegenrück.“