Full text: Geographisches Quellenlesebuch der außereuropäischen Erdteile

hartem Tuff geworden ist. Die Besteigung wurde nur mit einer be¬ 
schränkten Zahl von Trägern ausgeführt. In langsamem Anstieg mühte 
sich die kleine Karawane auf schmalen Pfaden durch eine Pflanzendecke, 
die von Hauptmann Herrmann als „Urbuschwald“ bezeichnet worden ist. 
Es ist ein oft undurchdringliches Gebüsch von krautartigen Sträuchern 
und meist nicht sehr hohen Bäumen. Nach dreistündigem, mühevollem 
Steigen wurde 5oo Meter unter dem Gipfel, im Sattel zwischen Mittel¬ 
und Südkrater, ein enges Lager bezogen. Dichter Nebel wogte um uns 
her und verschleierte die Aussicht auf den Gipfel. Und kaum war das 
letzte Zelt aufgeschlagen, so prasselte mit kolossalem Hagelschlag ein 
Gewitter hernieder und verwandelte die Gegend auf kurze Zeit in eine 
Winterlandschaft. Die Temperatur sank naturgemäß schnell, und die 
Kälte machte sich so unangenehm fühlbar, daß sich die armen Träger 
zum Schutz vor dem Unwetter unter die Zeltdächer drängten. Aber 
dann klärte sich der Himmel auf, und prachtvoll hob sich auf einmal 
der Gipfel des Vulkans als dunkle Silhouette gegen die vorüberjagenden 
Wolken ab. Wir hatten den Aufenthalt zu einer kurzen Mahlzeit benutzt, 
und nun wurde sofort der Anstieg zum Gipfel unternommen. Die Böschung 
steigt bis zu 35 Grad. Sie zu erklimmen war außerordentlich anstren¬ 
gend, da das naokte Gestein dem Fuß nur wenig Halt bot. Zudem machte 
sich die ungewohnte Dünne der Luft äußerst fühlbar, so daß man ge¬ 
zwungen war, fast alle hundert Schritte mit hörbar klopfendem Herzen 
sqhwer atmend stehen zu bleiben. Aber unermüdlich kletternd strebten 
wir vorwärts. Zehn Meter liegt der Kraterrand noch über uns. Die 
hämmernden Pulse zwingen uns zu nochmaliger kurzer Bast; hätten 
wir geahnt, welches Bild uns erwartete, so würden wir schneller geeilt 
sein. Denn verstummend blickten wir wenige Augenblicke später in eine 
riesige Arena von unbeschreiblicher Großartigkeit. Der abgestumpfte 
Gipfel des Ninagongo ist nämlich ganz von einem mächtigen, nahezu 
kreisrunden Explosionskrater eingenommen, dem Graf-Götzen-Krater. 
So habe ich ihn seinem kühnen Entdecker zu Ehren getauft. Die Innen¬ 
wände des Kraters lallen steil nach unten ab und enden hier auf einem 
völlig ebenen Lavaboden, in dessen Mitte zwei nebeneinanderliegende 
steilwandige Eruptionsschlote ausgesprengt sind, die sich wie eine etwas 
plattgedrüokte große Acht ausnehmen. Eine Vorstellung von den ge¬ 
waltigen Ausdehnungen des Graf-Götzen-Kraters vermögen am besten die 
von Oberleutnant Weiß ausgeführten Messungen zu geben. Danach be¬ 
trägt der Durchmesser des Kraters 1251 Meter, seine Tiefe i55 Meter 
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