Full text: Historisch-geographischer Atlas der Alten Welt

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nahmen) behielt, die Helvetier, welche ursprünglich das 
Land am Main und Neckar und bis zu den Alpen inne hatten, 
und erst im 1. Jahrh. v. Chr. mehr südlich gedrängt wurden, 
ferner mehrere kleine Stämme zwischen den ebengenannten, 
wie die Campi, Turones u. a., die sich noch bis in’s 2. Jahrh. 
n. Chr. unter der Herrschaft deutscher Völker erhielten. 
Der keltische Gesammtnanie dieser Bewohner der süddeutschen 
Waldgebirge, Germ an i (vgl. §. 170) wurde von den west- 
lieben Galliern, sowie nach ihnen von den Körnern auf die 
ganze Masse der Deutschen Volker ausgedehnt und wird da¬ 
her als einziger umfassender Gesammtnume auch von der 
neuern Wissenschaft in Gebrauch erhalten, da ans alter Zeit 
ein einheimischer Gesammtname der Deutschen Stämme nicht 
bekannt ist. Das Land nannten die Kölner zum Unterschiede 
von ihren Gallischen Provinzen Germ, superior und inferior 
(§.171) G e r m a n i a M a g n a. Der ausgedehnteste der Deut¬ 
schen Völkernamen , welcher nach seinem Gebrauch bei den 
Römern des 1. und 2. Jahrh. wenigstens zwei Drittheile 
Germaniens (nur die Niederrhein- und Nordseeländer aus- 
schliessend) umfasste, daher oft auch mit dem germanischen 
ganz gleichbedeutend gebraucht wird, der der Sweben*) 
(Sucvi, auch auf Scandinavien in der Form Sveones, Suiones 
vorkommend) bezeichnete eigentlich einen Völkerbund und 
ging vielleicht von einem einzelnen Volke, den Semnonen aus. 
<§. »Hl. Als besondere Stammnamen für einzelne 
grössere Abtheilungen der Deutschen Völker werden in der 
ältesten (von Tacitus aufbewahrten) Sage genannt: Ingae- 
vones, Iscaevones, Herminones; die jeder denselben 
zugehörigen Völker können aber nicht mit Sicherheit angegeben 
werden. Zu den Ingaevonen gehörten die Küstenvölker, 
besonders die westlichen an der Nordsee (der altfriesische und 
altsächsische Dialekt); die Herminonen umfassten alle ober¬ 
deutschen Stämme (althochdeutscher Dialekt) , namentlich die 
grössere südliche Hallte der Swebischen Völker, und ausserdem 
vielleicht auch die am Rheine; letztere werden zwar auch (in 
den von Plinius erhaltenen Nachrichten) als Iscaevonen be¬ 
zeichnet, doch wahrscheinlich irrthümlich. Den vierten Stamm 
bildeten die Völker des sog. altnordischen Dialekts in Scan¬ 
dinavien **) unter dem Gesammtnamen Hilleviones (d. i. 
Felsbewohner, von hellu, Felsen). 
§. 183. Völker am ni ed er n Rhein. Die Ubier, 
zu Caesar s Zeit noch auf dem rechten Rheinufer, von der Lo- 
gana an nördlich, nehmen zuerst von allen Germanen von den 
benachbarten Galliern Cultur an, daher Freunde der Römer und 
verfeindet mit den benachbarten Chatten und Sigambern ; durch 
diese gedrängt gehen sie auf das linke (römische) Rheinufer 
über, wo sie von Agrippa Wohnsitze erhalten (vgl. §. 171). 
DieTenchterer und Usipier (mit keltischer Nainens- 
forin: Usipeles), versuchen schon um 55 v. Chr. Wohnsitze 
in Gallien zu erobern, aber von Caesar zurückgedrängt, ziehen 
sie seit 60 — 70 n. Chr. südlicher an die Stelle der alten 
Sitze der Ubier bis zum Moenus. 
Die Sigambern (Gambrivii bei Tac.), seit Chr. Geb. 
zwischen den ebengenannten Völkern am Südrande des 
norddeutschen Flachlandes bis zum Rheinufer sich vordrän¬ 
gend , bilden das nächste Ziel der Römischen Feldzüge in 
*) Nach J. Grimms Vermuthung war es vielmehr der allgemeine 
Name, den die östlichen Gränznachbam , die Slawen, den deutschen 
Stämmen beilegten (abgeleitet von svoi, d. i. selbständig, also die 
Freien) und den diese in der Form Svebös (gotli., Suäpa althochd.) 
annahmen. Vgl. auch Zenss, die Deutschen und ihre Nachbarstämme. 
**) Seandia (wovon Scandinavia durch Zusammensetzung mit avi, 
jetzt ey, Insel) bezeichnete zunächst den südlichsten Theil, Skaney, jetzt 
Skane ( Schonen) und wurde davon auf das ganze Land übertragen, 
weiches die Körner für eine Insel hielten, daher auch die Ostsee — M. 
Suevicum — ringsum mit dem Ocean zusammenhängend glaubten. 
Germanien unter Augustus, werden nach mehrmaliger Besie¬ 
gung zum Theil unter dem Namen Gubernen über den 
Rhein nach Gallien, zum Theil an die östliche Rheinmündung 
(Isala, Flevo) verpflanzt (durch Drusus und Tiberius), zum 
Theil in’s Innere zurückgedrängt. (Hier lag die Silva Caesia, 
im Mittelalter Heissiwald an der Ruhr.) 
Die genannten Völker bilden seit etwa 240 n. Chr. den 
Völkerbund der Franken, auch von dem Flusse Isala 
(Sala) Sali sc he Franken genannt. 
Die Buracteren oder Brncteren, im Mittelalter Bu- 
rahtragau, zwischen Lippe und Ems. 
Die Chantaven, sowohl an der mittlern Weser (wo 
Hainalön, jetzt Hameln, von ihnen benannt) als am niedern 
Rheine und Flevo (wo der Gau Hameland), aus letzterer 
Gegend, wie die Sigambern und Usipier, durch die Römer 
verdrängt, die um 50 n. Chr. auch das rechte Uferland des 
niedern Rheins als Limes transrhenanus ihrer Provinz Ger¬ 
mania superior mit Gallischen Colonisten besetzten und einen 
Canal aus dem Rhein nach der Flevo-Mündung, die Fossa 
Drusiana, anlegten (die spätere Isala, ljssel). 
Die das Mündungsdelta des Stromes bewohnenden Ba¬ 
taver (deren Name in dem Gau Batua, noch jetzt lletinre, 
sich erhält), Caninefaten (im Kenemerland in Nordhol¬ 
land), Chattuarier (im Mittelalter Hatteragau an der 
Ruhr), Abkömmlinge der Chatten wurden gleichfalls im 
1. Jahrh. n. Chr. grösstentheils den Römern unterworfen und 
nahmen keltische Sprache und Cultur au (daher hier die kelti¬ 
schen Ortsnamen Lugdunum, Batavodurum u. a.). Diese Völ¬ 
ker treten seit dem 3. Jahrh. unter dem Namen der Ripua- 
risehen Franken (von den Rheinufern benannt) auf. 
§. 183. Niederdeutsche Völker vom Rhein 
bis zum baltischen Meere. 
Die Frisen (Frisii, Frisones, Frisaevi, Frisiabones, deren 
Name im östlichen Tlieile unverändert fortdauert) in den Moor¬ 
niederungen um die Flevo-Mündung des Rheins ( Vlie Strom*) 
bis zur Amisia (Ems), unter Augustus den Römern unterworfen, 
dann zwar wieder unabhängig (28 — 48 n. Chr.), aber doch 
später wieder in Römischem Interesse, ebenso wie 
die Chauken (Chauci, nicht Cauchi) in den Moor¬ 
niederungen um die Wesermündungen bis zur Eibe. Daher 
von hier aus unter Germanicus die Angriffe der Römer auf 
die Cherusker und Swebenstämme an der mittlern Elbe **). 
Die Amsivarier (wahrsch. an der Amisia), Marsen, 
Tubanten (im jetzigen Twente) u. a. kleine Stämme, Vor¬ 
fahren der westfälischen Sachsen. 
Die Angrivarier, später als Engem der mittlere 
Haupttheil des Sächsischen Volkes, wozu auch die Fosen (an 
der Ense), Dulgubinen u. a. gehören. 
Die Cherusker, nördlich vom ßacenis-Walde (Harz), 
durch diesen von den Sweben getrennt, bilden den Übergang 
von den niederdeutschen zu den hochdeutschen Völkern***); 
sie erscheinen während des ersten Jahrh. als Haupt eines 
Bundes der sic umgebenden Völker, mit weit ausgebreiteter 
Macht; seit etwa 90 n. Chr. nur als unbedeutender Volksstamm. 
Die Saxen (Saxones) werden unter diesem Namen erst 
im 2. Jahrh. genannt im östlichen Theil des später weit aus¬ 
gedehnten sächsischen Gebietes. 
*) Diesen Namen führt noch die breite Mündung des Zuyder-Sees 
(vor derselben auch die Insel Vlielund), welche erst im Mittelalter durch 
einen Einbruch des Meeres in die Niederungen entstand (daher die hy¬ 
pothetische Zeichnung der Karte, abweichend von der jetzigen Küste). 
**) Der aus Tacitus bekannte Name des Schlachtfelds Idisfaviso 
lautet nach J. Grimm richtiger Idisiaviso, d. i. Waikyren-Wiese. 
***) Denen sie von Ptin. wohl fälschlich zugerechnet werden, da sie 
vielmehr spater in den Namen der Sachsen übergehen (nach Grimm). 
Die kleinen Völker oder Gaue der (von den Römern so¬ 
genannten) Cimbrischen Halbinsel, welche bei den Ger¬ 
manen Cartris hiess, darunter die Chaviones (Aviones bei 
Tac.), die Vidusen (Edusii oder Sedusii bei Caesar, Eudosi 
bei Tac.), die Ha rüden (Charudes, d. i. Waldbewohner, also 
vielleicht Vorfahren der gleichbedeutenden Holtsaten in 
Holstein) u. a., von denen ungewiss ist, ob sie nicht auch 
die benachbarten, später dänischen, Inseln (Codanonia, un¬ 
sicherer Name, wahrscheinlich vom Codanischen Meerbusen, 
dem Kattegat, benannt) inne hatten. 
Die Teutonen (auch Nuithones, Euthiones geschrieben, 
und in ihrem westlichen Theile Teutovaron), vielleicht Stamm¬ 
väter der spätem Jäten auf der Halbinsel *) und der J u- 
thungen, welche um 230 bis an die mittlere, seit 300 an 
die obere Donau Vordringen und sich mit den Alamannen 
unter dem alten Namen der Sweben (Schwalten) vereinigen. 
§. 181. Südliche oder oberdeutsche Sweben. 
Die Chatten, Vorfahren der späteren Hessen, mit 
dem befestigten Hauptort Mattiuin (wahrsch. Maden bei Gn- 
densberg), im 1. Jahrh. südlich bis an den Rhein vorrückend 
und damals an der Stelle der Cherusker das mächtigste Volk 
des westlichen Germaniens (w o die Mattiaker am Taunus, im 
jetzigen Kassau, zu ihnen gehören). Sie und die 
Hermunduren (d. i. grosse oder mächtige Duren, 
wovon der seit dem 4. Jahrh. gebräuchliche Name 1) uringen, 
Thüringen, abgeleitet), sind vorzugsweise die Sueven, mit 
denen die Römer bei ihrer ersten Bekanntschaft mit dem 
Rhein und Germanien (unter Caesar und Augustus) feindlich 
zusammenstossen, und zu denselben gehörten die aus diesem 
Mittellande südlich ausgewanderten Swebischen Heerhaufen, 
welche (wahrsch. im 1. Jahrh. v. Chr.) nach der Verdrän¬ 
gung der Helvetier sich im Maingebiet niederlicssen und ent¬ 
weder unter dem allgemeinen Namen der Sueven (bei 
Caesar) oder dem besondern der 
Markomannen (d. i. Gränzmänner), die noch in dem 
südlichen Lande bis zur Donau und dem Oberrhein wohnen¬ 
den kleineren keltischen Volker (vgl. §. 180) sich unter¬ 
warfen **). Erst um Chr. Geb. zieht der Haupttheil des 
Markomannen-Volkes unter Marobod östlich in das ehemals 
keltische Bojohaemum und gründet dort ein mächtiges Swe- 
bisches Reich, dem sich die nördlichen und östlichen Sw’ebi- 
sehen Völker bis zur Weichsel anschliessen, das aber schon 20 
n. Chr. durch Chatten und Hermunduren gestürzt wird. 
Die Qua den nehmen gleichzeitig mit den ihnen zunächst 
verwandten Markomannen den südöstlichen Theil des da¬ 
maligen Germaniens ein, wo sie an die, oft mit ihnen gegen 
die Römer verbündeten Sarinaten gränzen. An ihrer Südseite 
längs der Donaugränze Hessen sich nach dem Sturze des 
Reiches Marobods aus Bojohaemum geflüchtete Markomannen 
und Quaden (daher mit zusammengezogenem Namen bei den 
Römern Baemi genannt) nieder, und treten daselbst unter 
Römischen Schutz (Reich des Vannius 20 —100 n. Chr ). 
§. 183. Das von den Markomannen verlassene Gebiet 
zwischen Rhein und Donau wird durch K. Trajan unter dem 
Namen Agri Decumates mit Römischen und Gallischen 
Colonisten besetzt und mit einem befestigten Gränzwalle 
(keltisch Palas, daher die Reste noch jetzt Pfuhl, auch 
Teufelsmauer genannt, bei den Römern Limes Transrhenanus, 
zur Prov. .Germania superior, L. Transdanubianus, zur Prov. 
*) Nach J. Grimm ist ihr Name in dem der Dietmarsen erhalten. 
**) Diese erhalten sicll dort auch nach ihrem Abzüge nach Osten, 
neben kleineren deutschen Stämmen, den Varisten, Marvingen, Arma- 
lausen; das unmittelbare ßränzland gegen die Börner, schon von Natur 
grösstentheils Waldgebirg,' liessen sie, als natürliche Schutzwehr, un¬ 
bewohnt, bis es innerhalb der Römischen Grunzen gezogen wurde.
	        
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