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Friedrichs i
RcgierungS
antritt.
3) Die Geschichte der Deutschen vom Regierungsantritt
Friedrichs II. bis zum Tode Leopold s II.
Friedrich II. (1740 — 1786) war 28 Jahr alt, als er die Re¬
gierung antrat. Ec erbte von seinem Vater einen gefüllten Schatz, ein
trefflich geübtes Heer und einen durch Verkehr und geordnete Verwal¬
tung blühenden Staat. Dem preußischen Heere fehlte aber Erfahrung,
weil Friedrich Wilhelm I. aus Liebe für seine stattlichen Regimenter
sorgfältig den Krieg vermieden hatte. Der preußische Staat nahm nach
außen keineswegs die seiner Kriegsmacht und seiner jugendlich frischen
Entwicklung entsprechende Stellung ein. Als Kronprinz hatte Friedrich
mit bittrem Unmuthe die Geringschätzung ertragen, mit der die größeren
Mächte den kleinen König von Preußen behandelten. Ueber Friedrich
Wilhelm I. wurde an andern Höfen mit Geringschätzung gesprochen.
Man spottete über seine Soldatenliebe und sagte, er spanne seine Waf¬
fen beständig, drücke aber nie los. Georg II. von England hatte ihn
immer nur seinen Bruder den Unteroffizier und des heiligen römischen
Reiches Erzsandstreuer genannt. Und in der That, sollte daß preußische
Königreich seinen Titel mit Recht führen, so mußte es eine angemeffene
Macht zu erlangen suchen.
Friedrich II. erregte gespannte Erwartungen und bei den Unter¬
thanen des preußischen Staates große Hoffnungen. Ec hatte sich bis¬
her nur an den Genüssen des Lebens und der Wissenschaft ergötzt; so¬
bald er den Thron bestieg, zeigte er sich als Gesetzgeber und Soldat.
Da wegen des vorhergegangenen strengen Winters große Noth im Lande
herrschte, so ließ er seine Magazine öffnen und überall Korn zu wohl¬
feilen Preisen verkaufen. In Religionßsachen beobachtete er die größte
Duldung. Den auf Anregung der Pietisten aus Halle vertriebenen Phi¬
losophen Wolfs rief er aus Marburg zurück. Den Mathematiker
Maupertuis lud er in einem höflichen Schreiben ein, Paris mit
Berlin zu vertauschen, und ernannte ihn zum Präsidenten der unter
seinem Vater ganz verfallenen Akademie der Wissenschaften. Die
Tortur und das Säcken der Kindsmörderinnen wurde abgeschafft. Das
potsdamsche Leibregiment von lauter Riesen, daß so große Summen ge¬
kostet hatte, ließ Friedrich II. aus einander gehen und behielt nur ein
Bataillon zum Andenken an seinen Vater. Die kriegerischen Uebungen
wurden aber nicht eingestellt, sondern vermehrt, ja es wurden noch meh¬
rere Regimenter errichtet. Friedrich II. war einem jeden zugänglich, ec
durchschaute mit seinem Flammenblick die Menschen, ec liebte kühne,
kurze Antworten, eine schlichte Kleidung und anfangs auch eine einfache
Tafel.
Friedrich II. fühlte, daß er berufen sei, die Aufgabe zu lösen, welche
Friedrich I. durch Erwerbung des Königstitels seinen Nachfolgern hinter¬
lassen hatte. Er lag krank in Reinsberg, als er den am 20. Oktober
1740 erfolgten Tod Karls VI. erfuhr. Alsbald war ec entschlossen,