Full text: Lesebuch für ein- und zweiklassige Volksschulen

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wie es um seine Ehrlichkeit aussah, das wird sich bald zeigen. Er' 
zählte das Geld und dachte unterdessen geschwind nach, wie er den 
treuen Finder um seine versprochene Belohnung bringen könnte. „Guter 
Freund," sprach er hieraus, „es waren eigentlich achthundert Thaler 
in dem Tuch eingenäht. Ich finde aber nur siebenhundert darin. Ihr 
werdet also wohl eine Naht aufgetrennt und Eure hundert Thaler 
Belohnung schon herausgenommen haben. Da habt Ihr wohl daran 
gethan. Ich danke Euch." — Das war nicht schön; aber wir sind 
auch noch nicht am Ende. Ehrlich währt am längsten, und Un- 
recht-schlägt seinen eigenen Herrn. 
2. Der ehrlicher Finder, dem es weniger um die hundert Thaler 
als um seine unbescholtene Rechtschaffenheit zu thun war, versicherte, 
daß er das Päcklein so gesunden habe, wie er es bringe, und es so 
bringe, wie er's gefunden habe. Am Ende kamen sie vor den Richter. 
Beide bestanden auch hier noch aus ihrer Behauptung: der eine, daß 
achthundert Thaler eingenäht gewesen seien, der andre, daß er von dem 
Gefundenen nichts genommen und das Päcklein nicht versehrt habe. 
Da war guter Rat teuer. Aber der kluge Richter, der die Ehrlich¬ 
keit des einen und die schlechte Gesinnung des andern im voraus zu 
kennen schien, griff die Sache so an: er ließ sich von beiden über das, 
was sie aussagten, eine feste und feierliche Versicherung geben und that 
hierauf folgenden Ausspruch: „Wenn der eine von euch achthundert 
Thaler verloren, der andre aber nur ein Päcklein mit siebenhundert 
Thalern gefunden hat, so kann das Geld des letzteren nicht das näm¬ 
liche sein, auf das der erstere ein Recht hat. Du, ehrlicher Freund, 
nimmst also das Geld, das du gefunden hast, wieder zurück und behältst 
es in guter Verwahrung, bis der kommt, der nur siebenhundert Thaler 
verloren hat. Und dir da weiß ich keinen Rat, als du geduldest dich, 
bis derjenige sich meldet, der deine achthundert Thaler findet." So 
sprach der Richter, und dabei blieb es. 
Hebel. 
38. Das Recht im Sprichivort. 
Der Klügste giebt nach. Vergleichen und vertragen ist besser als 
zanken und klagen. Ein magerer Vergleich ist besser als ein fetter 
Prozess. Lieber klein Unrecht gelitten als vor Gericht gestritten. Recht 
muss doch Recht bleiben. Was dem einen recht ist, das ist dem andern 
billig. Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren.
	        
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