zusammenwohnenden Stämme der Germanen zu V ö l k e r n. In
der heutigen Rheinprovinz, am Mittel- und Niederrhein, treten die
Franken, d. H. die Freien, auf; in den Gegenden der Ems,
Weser und Elbe erscheinen die nach ihrem kurzen Schwerte „Sachs" be¬
nannten Sachsen, und am Oberrhein stoßen wir auf die Ale¬
mannen, d. H. alle Männer, nach denen die Franzosen uns noch
Allemands nennen. An der Donau endlich tritt später das nach
seinen Vorfahren in Bojohemum (Böhmen) benannte Volk der
Bajuwaren oder Bayern kraftbewußt hervor. Jenseits der Elbe
hausten germanische Reitervölker; die bedeutendsten von ihnen
waren die Goten, deren Wohn- und Weidegebiet südlich bis an
das Schwarze Meer reichte.
Das Wachstum der seßhaften Bevölkerung rief bei den Germanen
im Laufe der Zeit einen steigenden Mangel an Ackerland her¬
vor. Diese „Landnot" trieb sie in immer größeren Massen von der
heimischen Scholle, und immer neue Scharen brachen mit Weib und
Kind, mit Karren und Vieh, Sippe an Sippe, über die Grenzen des
römischen Reiches: die Zeit war gekommen, daß die H e r r s ch a f t
ganz an die Germanen überging?)
§ 2. Die Hunnen. Einen mächtigen Anstoß erhielt die Be¬
wegung der germanischen Völker durch den Einbruch der Hunnen
in Europa. Sie waren ein wildes Reitervolk und kamen aus dem
Innern Asiens. Ihr Auftreten brachte Entsetzen über die Menschen.
„Mit ihrem gedrungenen, festen Gliederbau und starken Nacken", so
schildert sie ein Zeitgenosse, „gleichen sie roh behauenen Holzfiguren,
wie man sie an Brückengeländern sieht, und bei ihrem ungeheuerlichen
Aussehen möchte man sie für wilde Tiere halten. Ihre Lebensart
ist wild und rauh. Bei der Zubereitung ihrer Speisen gebrauchen sie
weder Feuer noch Gewürz. Sie leben von den Wurzeln wildwachsen¬
der Pflanzen und von dem halbrohen Fleische aller möglichen Tiere,
das sie auf dem Rücken der Pferde mürbe reiten. An ihre häßlichen,
aber ausdauernden Pferde sind sie wie angewachsen; Tag und Nacht
leben sie auf ihnen. Dort kaufen und verkaufen sie, dort essen und
trinken, dort schlafen und träumen sie, indem sie sich vornüber auf
den Hals des Rosses beugen. Ohne feste Wohnsitze, ohne Obdach,
ohne Gesetz und Recht schweifen fie mit ihren Karren, die mit Fellen
überzogen sind, umher. Die Karren sind die Wohnungen ihrer
schmutzigen Weiber; dort weben die Weiber die groben Kleider, dort
ziehen sie die Kinder auf, bis fie erwachsen find.“2)
1) Gedichte: Lingg, „Die Einwanderung der Germanen" und „Heer¬
bannlied."
2) Gedichte: Weber, „Die Hunnen." Börries von Münchhausen,
„Hunnenzug."