Full text: Für die Mittelstufe der Lehrerseminare (Band 3, [Schülerband])

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K.: „Er sollte reisen.“ 
G.: „Ihro Majestät, dazu fehlt mir Gesundheit und Vermögen.“ 
K.: „Was hat Er denn für eine Krankheit? Etwa die gelehrte?“ 
G.: „Weil sie Ihro Majestät so nennen, so mag sie so heißen; in meinem 
s Munde würde es zu stolz geklungen haben.“ 
K.: „Ich habe sie auch gehabt. Ich will Ihn kurieren. Er muß sich Be— 
wegung machen, alle Tage ausreiten, alle Wochen Rhabarber nehmen.“ 
G.: „Ihro Majestät, diese Kur möchte wohl eine neue Kranlkheit für mich sein. 
Wenn das Pferd gesünder wäre als ich, so würde ich es nicht reiten können, und 
10 wär' es ebenso krank, so möchte ich auch nicht forktkkommen können.“ 
K.: „So muß Er fahren.“ 
G.: „Dazu fehlt mir das Vermögen.“ 
K.: Ja, das ist wahr, daran fehlt's immer den Gelehrten in Deutschland. 
Es sind itzt wohl böse Zeiten?“ 
is 6 Jawohl, und wenn Ihro Majestät Deutschland den Frieden geben 
wollteunu 
K.: „Kann ich denn? Hat Er's denn nicht gehört? Es sind ja drei wider 
mich.“ 
G.: „Ich bekümmere mich mehr um die alte, als neue Geschichte.“ 
u n Was meint Er? Welcher ist schöner in der Epopöe, Homer oder 
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G.: „Homer scheint wohl den Vorzug zu verdienen, weil er das Original ist.“ 
K.: „Aber Virgil ist viel polierter.“ 
G.: „Wir sind zu weit vom Homer entfernt, als daß wir von seiner Sprache 
und Sitte richtig genug sollten urteilen können. Ich traue darin dem Quin— 
tilian, welcher Homer den Vorzug gibt.“ 
K. „Man muß aber nicht ein Sklave von den Urteilen der Alten sein.“ 
G.: „Das bin ich nicht; ich folge ihnen nur alsdenn, wenn ich wegen der 
Entfernung selbst nicht urteilen kann.“ 
z0 Major: „Er hat auch deutsche Briefe eren 
Q.: So? Hat Er denn auch wider den Stylum euriae geschrieben ?“ 
G.: „Ach ja, Ihro Majestät.“ 
K.. Aber warum wird das nicht anders? Es ist 'was Verteufeltes. Sie 
bringen mir ganze Bogen, und ich verstehe nichts davon.“ 
85 G.: „Wenn es Ihro Majestät nicht ändern können, so kann ich's noch weniger. 
Ich kann nur raten, wo Sie befehlen. — — 
K.: „Kann er keine von Seinen Fabeln auswendig?“ 
G.: Ich zweifle. Mein Gedächtnis ist mir sehr untreu.“ 
Q: Besinne Er Sich, ich will unterdessen herumgehen. ¶ x Nun, hat Er eine?“ 
a0 G.: Ja, Ihro Majestät, den Maler!). ‚Ein kluger Maler in Athen — — 
so strich er seinen Kriegsgott aus.“ 
Kl: „Und die Moral?“ 
G.. Gleich, Ihro Majestät. ‚Wenn deine Schrift — — auszustreichen.““ 
K.. Das ist recht schön. Er hat so etwas Coulantes in seinen Versen, das 
zs verstehe ich alles. Da hat mir aber Gottsched eine Übersetzung der Jphigenia 
vorgelesen, ich habe das Französische dabei gehabt und kein Wort verstanden. Sie 
haben mir noch einen Poeten, den Pietsch, gebracht; den habe ich weggeworfen.“ 
G.: „Ihro Majestät, den werfe ich auch weg.“ 
K.: „Nun, wenn ich hier bleibe, so muß Er öfter wiederkommen und Seine 
bo Fabeln mitbringen und mir 'was Neues vorlesen.“ 
6— 
V Werke, Tl. J, S. 135
	        
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