Full text: M. Johann Georg Hagers, Rect. zu Chemnitz, Kleine Geographie vor die Anfänger

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und einer Schar Bauern hielt, die er dorthin entboten, um mit ihrer 
Hilfe ein waidgerechtes Treibjagen auf die drei städtischen Kund— 
schafter anzustellen. Die Bauern kennen mich alle, aber keiner wird 
mich verraten, denn wegen des Söldnerbauern Gertrud halten sie 
mich für ihresgleichen. So wurde ich also mit ihnen im Treiben 
aufgestellt. Natürlich hatte ich die Absicht, unsere drei Leute auf 
meiner Linie auskommen zu lassen, und das wäre auch geschehen, wenn 
sie nicht gar zu selbstgewiß all' meine Winke verachtet hätten. Mögen 
sie's also haben. Nach vollführtem Fang bewirtete uns der Ritter 
auf der Mühle, und als er nach manchem tiefen Trunk etwas stark 
redse.n wieder zu Pferde stieg, blickte er nach dem Mond und sagte 
zu mir, der ich das Roß am Zügel hielt: „Wachsend Licht und Ost— 
wind — das gute Wetter wird standhalten. Sonnenschein auf Licht— 
meß! Der Dachs wird seinen Schatten sehen, wenn er aus der Höhle 
tritt. Bäuerlein! Wie heißt der Spruch vom Dachs auf Lichtmeß?“ 
Da erwiderte ich: „Sieht der Dachs auf Lichtmeß seinen Schatten, so 
kriecht er auf vier Wochen wieder in den Bau zurück.“ Der Ritter 
lachte und rief zu seinen Leuten, indem er dem Pferd die Sporen 
gab. „Heuer wird der Dachs den Spruch zuschanden machen!“ 
verstand wohl, was er meinte und schlich in meiner Angst 
dem Reiterzuge nach, der im Schritt den steilen Berg hinanklomm. 
Indem in nun so im Schatten des Waldsaumes nebenher huschte, 
vern. 1 in. , wie der Ritter von der Klosterwiese als dem Sammel— 
planc heu„„ wo er auf Lichtmeß am Vormittag mit seinen Freunden 
zusammentreffen wolle. Von der Burg zur Wiese gibt es aber nur 
einen Weg für berittene Mannen, nämlich durch die Schlucht im 
Rauchholz. Dort müssen wir morgen zur rechten Stunde lauern 
oder nirgends; und nun wisset ihr alles, was ich selber weiß.“ 
Michael wollte bescheiden wieder auf seinen Platz zurückgehen, 
aber die andern duldeten das nicht; jeder wollte ihn ausfragen, be— 
loben, seinen Rat hören; der Leimsieder war mit einemmale der 
Mann der Volksgunst geworden, obgleich sich doch alle hätten vor 
ihm schämen sollen, als vor ihrem leibhaften, bösen Gewissen, welches 
ihnen wie ein Spiegel, nur im verkehrten Bild, die eigenen Mängel 
vorhielt. Keiner zwar zupfte sich an der eigenen Nase, sondern ein 
jeder seinen Nebenmann, und es gab ein babylonisches Gewirr, in
	        
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