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178. Aus den Erinnerungen einer alten
Schwarzwälderin.') Von Heinrich Hmsjakod.
/eine Mutter, so beginnt die greise Freundin, war eine stattliche
Tanne und stand an einer der schönsten Stellen des Schwarz¬
walds, am Fallbach zu Triberg, der berühmt ist durch seine Wasser¬
stürze. Sie stand hoch oben, unweit der Straße, die nach Schönwald
führt.
Ich verlebte bei ihr gute und böse Tage: gute, wenn die Sonne
schien über Berg und Tal und die Vögel sangen in unseren Zweigen,
böse, wenn Stürme tobten über den Wald her oder die Mutter zur
Winterzeit ächzte unter der Last des Schnees.
Zu allen Zeiten aber rauschte wie ein mächtig Wiegenlied das
Wasser des Fallbachs über die Felsen an uns vorüber. Wie oft hab'
ich von der Mutter Brust weg hinabgeschaut in die schäumenden Wasser
und sie beneidet, wie sie fortsprangen hinab ins Städtle Triberg und
hinaus ins Kinzigtal und in die weite Welt!
Einmal äußerte ich diesen Neid auch der Mutter gegenüber, kam
aber schlecht an. „Du dummes Kind," sprach sie, „weißt du nicht,
daß deine Reise in die Welt nur über meine Leiche geht? Deine
Mutter muß sterben, wenn du hinaus in die Welt und zu den Menschen
kommen willst. Die Wasser, die zu meinen Füßen hinrauschen und zu
Tal springen, sie eilen in die Arme ihrer Allmutter, Meer genannt.
Sie gehen heim, dorthin, woher sie gekommen sind, und kehren zu
neuem Leben wieder zurück aus dem Ozean. Wir Tannenbäume aber
und unsere Kinder sind nicht so gut dran, wie die Wellen des Bäch¬
leins. Wir müssen sterben, wenn wir den Erdboden verlassen, auf
dem wir groß geworden sind, und unsere Kinder müssen den Menschen
dienen und sich gefallen lassen, was immer sie mit ihnen und aus
ihnen machen wollen. Doch je höher ein Geschöpf in: Reiche der Natur
steht, um so unglücklicher ist es. Wir Tannen küssen den Äther des
Himmels, während die Bächlein in der Tiefe hinschleichen. Wir emp¬
fangen das erste und das letzte Gold der auf- und untergehenden
Sonne, während die Wasser noch oder schon in der Finsternis dahin¬
eilen. Und doch sind sie unsterblich, wir aber stürzen und sterben."
So sprach meine Mutter, und eine große Harzträne lief an ihrem
schlanken Leib hinunter. Ich schwieg nun fortan, war jedoch durch
ihre Worte nicht bekehrt. Die Jugend vernimmt ja die Mahnungen
und Lehren des Alters meist mit tauben Ohren und glaubt erst an
*) Die alte Schwarzwälderin ist die Hausierkiste des Großvaters des Verfassers.