Kap. 19. § 95. König Heinrich I. Kampf mit den Dänen. 107
Zum Andenken an diesen Sieg ließ er ein Gemälde der Schlacht im Speisesaal
der Merseburger Pfalz anbringen. Noch heute wird das Andenken an diese Errettung
in dem Dorfe Keuschberg, unweit Merseburg, jährlich durch eine Predigt und durch
Vorlesung einer alten chronistischen Darstellung jener Schlacht gefeiert.
Ein Jahr nachher ließ König Heinrich die deutsche Kraft auch die
Dänen fühlen, die unter ihrem christenfeindlichen Könige Gorm die Sla¬
ven unterstützt und in Sachsen geplündert hatten. Er drang bis Jütland
vor, stellte die von Karl dem Großen errichtete Markgrafschaft Schles¬
wig wieder her und verpflanzte sächsische Kolonisten dahin.
Heinrich war noch nicht 60 Jahre alt, als er auf seiner Harzpfalz zu
Botfeld, wo er sich an der Jagd erfreute, durch einen Schlaganfall an den
Tod gemahnt wurde. Rasch berief er die Reichsfürsten nach Erfurt, um
sich von ihnen die Nachfolge seines ältesten Sohnes zusichern zu lassen.
Darauf eilte er nach seiner Pfalz Memleben an der Unstrut, wo er
kurze Zeit nachher starb mit dem Ruhm herrlicher Taten und gerechter
Gesinnung. Er wurde zu Quedlinburg in der von ihm dort gegründeten
Klosterkirche beigesetzt.
Der sächsische Chronist Widukind schließt die Lebensgeschichte dieses Königs mit
den Worten: „Er war ein großmächtiger Herr, der größte der Könige Europas, an
jeglicher Tugend Leibes und der Seele keinem nachstehend; er hinterließ einen Sohn,
noch größer als er selbst, und diesem Sohne ein großes weites Reich, das er nicht
von seinen Vätern geerbt, sondern durch eigene Kraft errungen und Gott allein zu
danken hatte."
Heinrich war ein kraftvoller, verständiger Herrscher, der durch die Grün¬
dung der deutschen Reichseinheit und die Niederwerfung der
feindlichen Grenznachbarn (Slaven und Magyaren), welche er
durch die Steigerung der deutschen Wehrkraft und die Anlage von festen
Plätzen und Städten erreichte, ein deutsches Reich aufgerichtet hat. Fern
von eitlem Glanz kam er nicht auf den Gedanken eine Weltherrschaft zu
gründen, welche das Zeitbewußtsein an die Erwerbung Italiens und der
Kaiserkrone knüpfte, er hat vielmehr mit gesundem politischen Blick dadurch,
daß er in den von den Slaven seit der Völkerwanderung überfluteten ur¬
sprünglich deutschen Gebieten jenseits der Elbe das Uebergewicht deutscher
Herrschaft zur Geltung brachte, seinen Nachfolgern den einzig richtigen
Weg vorgezeichnet, auf welchem naturgemäß eine Erweiterung Deutsch¬
lands zu erreichen stand. Dieselbe Politik, Deutschlands Gebiet nach
Norden und Osten zu erweitern, haben in späterer Zeit nach Heinrich’»
Vorgang Kaiser Otto I, Heinrich der Löwe, Albrecht der Bär
und der deutsche Ritterorden zum segensreichen Wohl des Vaterlandes
befolgt, während viele der späteren Kaiser (vor allen die Salier und
Staufen), die mit der römischen Kaiserwürde den Gedanken einer von
Gott verliehenen Weltherrschaft verbanden, der Verfolgung dieses idealen,
politisch unerreichbaren Ziels ihre beste Kraft opferten, ohne zu ahnen, daß
die Verbindung mit Italien unsägliches Weh und endlich die politische
Zertrümmerung des deutschen Reichs herbeiführen sollte. Daß freilich
durch diese andauernde Verbindung zwischen Italien und Deutschland die
antike Cultur rascher nach Deutschland übergeleitet wurde, soll dabei nicht
verkannt werden (s. S. 111).
96. Mit allgemeiner Zustimmung der fünf Hauptstämme der Deutschen
und mit nie gesehener Pracht und Feierlichkeit wurde am 3. August des