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aller ihm gebührenden Ehrerbietung auf; ja, man bot ihm sogar mehrfach Unter¬
stützung an, da man in ihm einen Schutz gegen die Anmaßungen des Papstes
zu finden hoffte. Gregor selbst, als er von der bevorstehenden Ankunft des
deutschen Kaisers hörte, flüchtete sich in das feste, der Markgräfin Mathilde von
Toscana gehörige Schloß Canossa. Aller Stimmung schlug aber sogleich in
das Gegentheil um, als man vernahm, daß der Kaiser ohne Heer und noch dazu,
um sich zu demüthigen, gekommen sei. Jetzt,.kam es Gregor daraus an, das an¬
gestrebte Uebergewicht der Kirche über die weltliche Macht durch ein augenfälliges
Beispiel zu verherrlichen. Obgleich Heinrich ihm sofort erklärte, sich, um vorn
Banne loszukommen, jeder Büßung unterwerfen zu wollen, verweigerte Gregor
gleichwohl anfangs jede Begegnung und suchte selbst dann, als er einer solchen
kaum noch ausweichen konnte, dem König die Sache möglichst schwer zu machen.
Er verlangte nämlich, daß Heinrich sich des königlichen Amtes für uuwerth
erklären und darum Krone und die übrigen Abzeichen der Königswürde ihm
übergeben solle. Am 25. Januar 1077 durfte der König endlich die von einer
dreifachen Mauer umgebene Burg betreten. Des königlichen Schmuckes entkleidet,
mit entblößten Füßen, ohne Speise und Trank, vor Frost fast erstarrend, harrte
der Herrscher Deutschlands bis zum Abend, daß der Papst ihn zu einer Unter¬
redung vorlassen werde, aber vergeblich! So ging es noch am zweiten, am dritten
Tage. Erst am vierten Tage, also am 28. Januar, ließ ihn Gregor vor sich
kommen und erklärte sich bereit, Heinrich vom Banne loszusprechen, wenn er
dem Papste willigen Gehorsam leiste und so lange auf Ausübung der königlichen
Gewalt verzichte, bis ein Reichstag hierüber Beschluß gefaßt haben würde.
Wiewohl tief ergrimmt, versprach doch Heinrich, der augenblicklichen Macht der
Verhältnisse nachgebend, Alles. Daraus nahm ihn der Papst mit zur Kirche,
ertheilte ihm die Absolution und nahm bei der Communion die Hälfte einer
Hostie mit den Worten in den Mund: „Wenn die Beschuldigungen, die Du in
Worms gegen mich ausgesprochen hast, wahr sind, so soll diese Hostie mir einen
jähen Tod bringen." Die andere Hälfte bot er dem König an mit den Worten:
„Wenn meine Beschuldigungen gegen Dich wahr sind, so mag die Hostie Dir
emen plötzlichen Tod bringen!" Leider hatte Gregor den Triumph, daß Heinrich
sich nicht getraute, das vorgeschlagene Gottesurtheil anzunehmen. Schon auf
dem Rückwege in Italien mußte der Köuig sich heftige Vorwürfe machen lassen,
daß er sich zu tief gebemüthigt habe. Bald aber zeigte es sich, daß auch Gregor
sich getäuscht hatte, wenn er glaubte, nun in der That die Macht zu haben,
Könige ein- und absetzen zu können.
Wir sind weit entsernt, über Heinrich IV., dessen Jugendleben durch Andere
mißleitet worden ist und der für seine Fehler schwere Prüfungen erdulden mußte,
ent hartes Urtheil zu fällen; wir preisen aber doch Gott, daß er jetzt Deutschland
etnen Kaiser gegeben hat, „der nicht nach Canossa geht."
6. Die Weiber bau Weinsberg.
(1140 n. Chr.)
„Wie eigenthümlich die Scene auch ist, die unser Bild uns vorführt, diese
E den gekrönten Herrscher, der, von seinen Mannen umgeben, auf stolzem Roffe
sich drängenden, ihn flehend umringenden Frauen, die auf dem starken
Rucken kräftige Kriegsmänner tragen, oder die Hände zusammenfügen, Ver¬
wundete zu stützen und zu retten, sie ist uns auch ohne Unterschrift vertrant aus