Vereinigte Niederlande. 49 r
zur Armuth zu thun haben, eine große Ordnung und
Mäßigkeit in ihren Ausgaben, und haßten alles,
was zur Ueppigkeit gehörte. Aber iht hat sich alles
verändert; die großen Städte weichen London und
Paris nicht im geringsten, und da man es sonst für
ein großes Verbrechen hielt, wenn ein Mann mehr
als sein gewöhnliches Einkommen verthat, so giebt
es iht Weiber, die in einem Winter mehr verspielen,
als die jährlichen Einkünfte von dem ganzen Vermö¬
gen ihrer Männer ausmachen.
Unter dem gemeinen Volke herrscht die schmutzig¬
ste Geldgier. Wehe dem Unwissenden, der in ihre
Hände kömmt; bey dem Anschein der aufrichtigsten
Ehrlichkeit werden sie ihre Dienstleistungen in drey-
und vierfachem Werthe verkaufen. Nimmt man hie¬
zu noch eine wilde bey allem Phlegma bestehende AuS--
gelaffenheit, die schon oft in Unbändigkeit auSgeartet
ist, und mit vieler Unwissenheit festes Beharren auf
einmal vorgefaßten Meynungen, so hat man ohnge-
fahr, wenn auch kein liebliches, doch getreues Bild
von dem Karakter der holländischen Handwerker,
Bauern und Matrosen.
Doch wir haben genug von den Fehlern der Hol¬
länder gesprochen; es ist Zeit, daß wir auch ihre Tu¬
genden erwähnen. Sie sind kalt und bedächtig in ih¬
ren Entschließungen; aber wenn sie einmal zumSchlusse
gekommen sind, so ist auch nichts im Stande, den¬
selben wankend zu machen; sie lieben ihr Vaterland,
und wenn diese Liebe oft in Unordnungen ausartet, so
muß man den Grund davon in übelverstandnen Be¬
griffen, oder in denen suchen, die bey vieler List und
noch mehr Bosheit, das Volk nach den Absichten ih¬
rer Leidenschaften zu lenken wissen. Alle ihre Be¬
gierden und ¿rfbenfd)aften sind kälter, aber auch dauer¬
hafter als in dem übrigen Europa; daher zanken sie
selten