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Semitisches Vorder-Asien.
sog. semitischen Völkerfamilie, bevor dieselbe sich weiter nach Westen
namentlich über Nordafrica (Phoenikier im Altertum, Araber im Mittelalter)
auszubreiten begann. Sprachlich betrachtet besteht dieselbe aus vier
Hauptzweigen, von denen drei durch ihre Litteraturen seit alters be¬
kannt sind: der arabische in Süden, der aramäische (syrisehe)
in Norden, der kleinere kana’anitische (hebräo-phoenikische)
zwischen beiden; dazu ist durch die Entzifferung der in Keilschrift ab¬
gefassten Inschriften der assyrisch-babylonische in NO. als vierter
selbstständiger Zweig gekommen. Die drei letzten Gruppen, welche
die nördlichen reichen Fruchtländer inne haben und daher seit dem
Anfang historischer Kunde fest ansässig sind, lernten die Griechen
als Zugehörige des aus einem ihrer östlichen Stämme hervorgegangenen
assyrischen Reiches kennen und übertragen daher dessen Namen,
gewöhnlicher in der abgekürzten Form 2vqol, 2vqioi auf alle jene
Stämme, namentlich auf die ihnen zuerst bekannt gewordenen an den
Küsten des Mittelmeeres (Syrien im engern Sinne) und des Pontos
(Leukosyrien, § 56). Die räumlich ausgedehnteste semitische Gruppe, die
arabische, begreift zwar der Beschaffenheit ihrer Wohngebiete ent¬
sprechend, namentlich im Westen und Süden der Halbinsel auch viele
seit sehr alter Zeit ansässige Stämme, jedoch mehr als Ausnahme,
während die nomadische Lebensweise bei den meisten unter jenem Ge-
sammtnamen begriffenen Stämmen vorherrscht, welche die centralen und
nördlichen Wüstenebenen (stellenweise bis ans Mittelmeer und bis tief
in Mesopotamien) inne hatten und daher den Griechen früher, als die
südlichen Araber, bekannt wurden.
Daher bedeutet auch der Gesammtname Syrer (oder Assyrer) bei
den Griechen die ansässigen, der der Araber die wandernden
Abteilungen der grossen Familie, welche wir jetzt unter dem Semiten-
Namen zusammen zu fassen gewohnt sind.
Euphrat-Tigris-Länder.
84. Susiane (Kissia). Der östlich vom unteren Tigris ge¬
legene und längs des persischen Meerbusens sich weiter südlich ziehende
Teil der grossen Alluvialebene, durchschnitten und ursprünglich gebildet
von den kleineren Parallelflüssen Eulaeos oder Choaspes (j. Kercha)1),
Pasitigres (Kdrün) u. a., hat überaus heisses Klima und grosse
Fruchtbarkeit mit dem grösseren babylonischen Stromtieflande gemein,
ist aber davon durch weite Sumpfstrecken natürlich geschieden. Daher
bestand hier seit sehr alter Zeit und bis ins 7. Jahrh. v. Chr. ein
besonderes Reich, mit Einschluss der in Norden und Osten umgebenden