fullscreen: Der Weltkrieg 1914/15 in der Volksschule

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Schar, wenn mir christliche Wahrheiten oder sittliche Forderungen entwickeln, 
die mit den Tatsachen des Krieges scheinbar in direktem Widerspruch stehen.' 
Da müssen wir schnell Klarheit schaffen, damit aufkommende Zweifel nicht 
wachsen und innerer Zwiespalt nicht ungelöst bleibt. Solch kritische Momente 
kommen bei der Behandlung des Gebotes der Gottes- und Nächstenliebe, des 
fünften, siebten und achten Gebotes, der Bergpredigt (3).1 — Die Frage: 
Wer ist unser Nächster? ist brennender als je. Ist's der Engländer? der Fran¬ 
zose? der Nüsse? Nein, solange sie uns in der Kraft ihres Körpers gegen¬ 
überstehen mit der Absicht, uns zu schaden; ja, wenn sie verwundet, hilflos, tot 
find. Hier kommt uns die Geschichte vom barmherzigen Samaritan recht zu 
Hilfe. Die Lehre: „Jeder Mensch ist dein Nächster" bedarf nur des Zusatzes: 
„wenn er in Not ist." — schwer ist's, die Freude über errungene Vorteile 
und Siege in der rechten Weise zu genießen, ohne Schadenfreude, die den 
Charakter verdirbt. Man erzähle von unseren Soldaten, wie sie im Feindes¬ 
land Frauen und Kindern Gutes tun, wie sie so mit der einen Hand die 
Wunden heilen, die sie mit der andern geschlagen. Die Grußformel: Gott [träfe 
England! billige ich durchaus nicht. Liegt nicht in der Bitte um Sieg schon 
das gewünschte Verderben des Feindes? 
Die Geschichte der Israeliten ist den Kindern bekannt, wie sie in der Not 
sich zum wahren Gott zurückfanden, wie sie ihn im Glück verließen und statt 
seiner Götzen anbeteten. Daß in der Gegenwart Gleiches geschieht, erleben 
die Kinder. Wohlleben hatte geherrscht, Genußsucht und Selbstsucht waren die 
Götzen des Volkes geworden. Es hat den Irrtum erkannt, es ist zurückgekehrt. 
»Ich bin der Herr, dein Gott", sprach der Herr aus der dunklen Kriegswolke, 
aus Kugelblitzen und Kanonendonner. — Und das Volk lernte wieder beten, 
richtig beten, nicht nur bitten. Es vergißt auch nicht den Dank, den es für die 
Hilfe des Herrn schuldet, und ihn um seiner Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und 
Allmacht willen zu loben und zu preisen. Die Soldaten und ihre Führer sind 
uns vorangegangen, indem sie Gott die Ehre und den Dank geben. — Lesen 
wir solche Berichte aus der Zeitung den Kindern vor! 
Die Kinder bringen mancherlei aus dem Hause mit zur Schule und sollen 
aus ihr Segen mit heimbringen. Ist da irgendwo Mutlosigkeit eingerissen, und 
heißt es: Wo ist der Herr, zu dem wir in der Not schreien?, so erinnern wir 
an die Geschichte vom Sturm auf dem Meere. Auch im Kriegsschiffe ist der 
Heiland, und schläft er scheinbar, er wird zur rechten Zeit die rettende Hand 
ausstrecken. Darum seid nicht furchtsam, ihr Kleingläubigen! — Aber es sind 
der feinde so viel! — Hatte nicht Joseph elf Brüder, die auf sein Verderben 
sannen, und konnte er nicht zu ihnen sagen: „Ihr sännet Böses gegen mich, 
Gott aber wandte es zum Guten“ ? Stärkte Gott nicht die Hand des kleinen 
David gegen den mächtigen Goliath? — Hat euch der Krieg Leben und Gut 
geraubt, lernet vom Dulder Job! Die makkabäische Heldenmutter sei als Vor¬ 
bild den Müttern empfohlen. Die Kinder, welche die Mutter niedergebeugt 
gesehen, da der Krieg einen Sohn nach dem andern nahm, mögen ihr die 
Der Forderung: Wenn dich jemand! auf die rechte Wange schlägt, so reiche 
auch die linse dar, steht das Heilandswort entgegen: Habe ich unrecht geredet, 
1° beweise es; habe ich aber recht geredet, warum schlägst du mich?
	        
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