Full text: (Für das dritte Schuljahr) (Band 2, [Schülerband])

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Spitzchen antwortete: „Wie soll er uns denn sehen können, 
wenn es so sehr dunkel ist!“ 
„Nun“, fährt Pudelchen fort, „a können wir uns einmal 
recht lustig machen. Ich weiß ein Loch im Hofe, wo wir durch— 
kriechen können. Dann wollen wir uns auf den Gassen und in 
den Gärten nach Herzenslust auslaufen, und wenn du willst, 
so laufen wir auch aufs Feld, ja, bis auf das nächste Dorf, 
welches eben nicht weit ist, — und bellen wollen wir, daß man 
es eine Stunde weit hören soll. Alle Leute sollen aus dem 
Schlafe fahren und denken, es seien Diebe da.“ 
Spitzchen antwortete dem Pudel nicht, sondern geht hin 
und legt sich in seine Hütte. 
2. Der Pudel solgt dem Spitze nach, stellt sich vor der 
Hütte hin und spricht: „Du antwortest mir nicht. — Du willst 
wohl nicht mitgehn?“ 
„Du bist böse“, antwortete der Spitz, „und mit dem Bösen 
soll man keine Gemeinschaft halten.“ 
„Ich böse?“ erwiderte der Pudel, ei, warum nicht gar! 
Ich will mir ja nur eine Lust machen.“ 
„Das ist eine schlechte Lust, wenn du die Leute aus dem 
Schlafe aufschrecken willst“, antwortete Spit, „man muß sich 
keine Lust machen, die andern schadet, und wobei man seine 
Schuldigkeit vergißt. Du willst Haus und Hof verlassen, die du 
bewachen sollst, und wofür dich der Herr ernährt, bloß um dir 
eine Lust zu machen. Nimm dich in acht, daß sie dir nicht das 
Fell ausklopfen.“ 
Pudel brummte in sich hinein, aber er legte sich doch in 
seine Hütte und lief nicht umher. 
3. „Wir könnten uns jeder eine Wurst holen“, sagte am 
folgenden Tage Pudel zu Spiß. 
„Liegt denn die Straße voller Würste?“ fragte Spitz. 
„Behüte!“ antwortete der Pudel; „aber in Schlächters 
Hause auf dem Tische im Hausflur liegen sie. Wir passen die 
Zeit ab, wo der Schlächter nicht gleich da ist, da klinke ich die 
Hintertür auf, denn das habe ich gelernt, — jeder nimmt sich 
eine Wurst, und dann, heidi, fort damit!“ 
„Eine Wurst hätt' ich auch wohl gern“, sagte Spitz, „aber 
mit Spitzbubenkünsten mag ich sie doch nicht erwerben.“ 
4. Auf einmal hieß es: „Pudel ist totgeschlagen!“ Das 
machte, er hatte dem Schlächter von Zeit zu Zeit eine Wurst 
weggeholt. Da hat nun der Schlächter eines Tages im Verstecke 
aufgepaßt. Pudel ist gekommen, hat die Tür aufgeklinkt und 
eine Wurst genommen. Darauf ist der Schlächter herzu— 
gesprungen und hat den Pudel mit dem großen Fleischbeile 
erschlagen. Pudel war erschlagen und also tot, aber Spitzchen 
lebte noch lange und war seinem Herrn sehr wert. 
Das macht: Ehrlich währt am längsten, aber das Böse 
nimmt nimmer ein gutes Ende. 
eues Lesebuch. Band 2. 
—* 
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