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denen man ein halbes Dutzend in der Faust verbergen kann, wie in Cey¬
lon, große Shawls, die man durch einen Fingerring ziehen kann,
wie in Indien. Und wie in der Feinheit, so in der Kleinheit. Sie
schreiben beu ganzen Homer auf einen Streifen Papier, der in einer-
welschen Nuß Platz findet; sie verfertigen einen Wagen mit vier
Pferden aus Elfenbein, den eine Fliege mit ihren Flügeln zudeckt.
Habt ihr schon ein ordentlich eingebundenes Buch gesehen, das in
eine Haselnuß verschlossen werden kann, oder einen ausgehöhlten Kir¬
schenstein, in welchem ein Dutzend silberner Löffel aufbewahrt wird?
Solche Wunder giebt es allerdings. — Etwas Ähnliches ist jener
kleinste Webstuhl in der Welt, der sich auf dem Museum der National-
Manufaktur in Leicester-Hall befindet. Es ist eine Dampf-Web¬
maschine, aus Silber verfertigt, ganz vollständig in allen ihren Teilen,
und wiegt nicht mehr als 16 Gramm. Das ganze Werk kann samt
dem Kessel mit einem Fingerhute zugedeckt werden. Dennoch kann man
darin so viel Dampf erzeugen, daß die Maschine mehr als fünf Minuten
lang in Bewegung bleibt. (Bergt. Kunstfertigkeit der Briten. Nr. 45.)
Es ist eine merkwürdige Thatsache, daß alle Werke der Menschen¬
hand, so fein und schön sie auch gearbeitet sein mögen, unter dem
Mikroskope alle Schönheit verlieren. Die schönsten Brabanter Spitzen
z. B., wenn sie noch so fein und künstlich verfertigt sind, sehen unter
einem starken Vergrößerungsglase aus wie ein Gewirre von Stricken,
die man unordentlich durcheinander geworfen hat. An einem feinen
holländischen Zwirnfaden unterscheidet man mit bloßen Augen kaum
ein Seidenfäserchen, viel weniger nimmt man eine Zusammensetzung
mehrerer Flachsfasern daran wahr. Aber betrachtet ihn einmal unter
dem Mikroskope! Ihr werdet meinen, einen grob zusammengedrehten
Strick zu sehen. Oder nehmet einen feinen Goldfaden zur Hand!
Wißt ihr, wie man den macht? Ich willls euch im Vorbeigehen
sagen. Man vergoldet dünne Stangen von reinem Silber mit Gold¬
plättchen und läßt sie über Kohlenfeuer glühend werden. Mit einem
Glättkolben wird sodann das Gold noch fester auf das Silber ange¬
drückt. Hieraus zieht der Drahtzieher die vergoldeten Silberstangen
erst durch größere, dann durch kleinere Zuglöcher zu so feinem Drahte,
wie er ihn gerade braucht. Die feinsten Fäden haben kaum die
Dicke eines Menschenhaars, und dennoch bleibt die Vergoldung sicht¬
bar. So große Ausdehnungsfähigkeit hat das Gold. Diese vergol¬
deten Silberfäden werden nun ans stählernen Walzen platt gedrückt
und auf einer andern künstlichen Maschine um seidene Fäden herum¬
gewickelt oder gesponnen. Aus diesen mit vergoldetem Silber um¬
sponnenen Seidenfüden werden goldene Tressen und dergleichen
Schmuckartikel verfertigt. Wenn diese Fäden sorgfältig bearbeitet
sind, so bemüht sich das bloße Auge vergebens, irgend eine Stelle
aufzufinden, wo der Goldfaden eine Lücke gelassen hätte und die
Seide durchblickte, obgleich beide durch Farbe und Glanz sich leicht
unterscheiden lassen. Aber nehmt einmal den feinsten, aufs künstlichste