Full text: Für die oberen Kurse (Teil 3, [Schülerband])

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wurzeln. Überall schwellende Moosbänke; denn die Steine 
sind fußhoch mit den schönsten Moosarten wie mit hellgrünen 
Sammetpolstern bewachsen. Liebliche Kühle und träumerisches 
Quellengemurmel. Hie und da sieht man, wie das Wasser unter 
den Zteinen silberhell hinrieselt und die nackten Baumwurzeln 
und Fasern bespült. Wenn man sich nach diesem Treiben 
hinabbeugt, so belauscht man gleichsam die geheime Bildungs— 
geschichte der Pflanzen und das ruhige Herzklopfen des Berges. 
An manchen Orten sprudelt das Wasser aus den Steinen und 
Wurzeln stärker hervor und bildet kleine Wasserfälle. Da läßt 
sich gut sitzen. Er murmelt und rauscht so wunderbar, die 
Vögel singen abgebrochene Sehnsuchtslaute, die Bäume flüstern 
wie mit tausend Zungen, wie mit tausend Augen schauen uns 
an die seltsamen Bergblumen, sie strecken nach uns aus die 
wundersamen breiten, drollig gzackten Blätter; spielend flim— 
mern hin und her die lustigen Sonnenstrahlen, die sinnigen 
Kräutlein erzählen sich grüne Märchen, es ist alles wie ver— 
zaubert, es wird immer heimlicher und heimlicher. 
höher man den Berg hinaufsteigt, desto kürzer, zwerg— 
hafter werden die Tannen; sie scheinen immer mehr und 
zusammenzuschrumpfen, bis nur Heidelbeer- und Rotbeer— 
sträucher und Bergkräuter übrigbleiben. Da wird es auch 
schon fühlbar kälter. Die wunderlichen Gruppen der Granit— 
blöcke werden hier erst recht sichtbar; diese sind oft von erstaun— 
licher Größe. Das mögen wohl die Spielbälle sein, die sich 
die bösen Geister einander zuwerfen in der Walpurgisnacht, 
wenn hier die Hexen auf Mistgabeln, wie die Sage geht, ein— 
hergeritten kommen. In der That, wenn man die obere Hälfte 
des Brockens besteigt, kann man sich nicht erwehren, an die 
ergötzlichen Blocksberggeschichten zu denken. Es ist ein äußerst 
ene Weg, und ich war froh, als ich endlich das lang 
ersehnte Brockenhaus zu Gesicht bekam. Dieses Haus, das auf 
der Spitze des Berges liegt, wurde erst 1800 vom Grafen 
Stolberg-Wenigerode erbaut. Die Mauern sind erstaunlich dick 
wegen des Windes und der Kälte im Winter; das Dach ist 
niedrig. Vor dem Hause steht eine en Warte, und bei 
dem Hause liegen noch zwei kleine Nebengebäude, wovon das 
eine in früheren Zeiten den Brockenbesuchern zum Obdach diente. 
b) Das Llsethal. 
Je tiefer wir vom Brocken hinabstiegen, desto lieblicher 
rauschte das unterirdische Gewässer; nur hie und da, unter 
Gestein und Gestrüppe, blünkte es hervor und schien heim— 
lich zu lauschen, ob es ans Licht treten dürfeé, und endlich
	        
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