Maren erschrak. „Fürchte dich nicht," sagte er, „ich trage dich! ich
habe einen sicheren Fuß." Dann hob er das schlanke Mädchen auf seine
breite Schulter; und als sie die Arme fest um seinen Hals gelegt hatte,
stieg er behutsam mit ihr iu die Tiefe. Dichte Finsternis umgab sie;
aber Maren atmete doch auf, während sie so Stufe um Stufe wie iu
einem gewundenen Schneckengange hinabgetragen wurde; denn es war kühl
hier im Innern der Erde. Kein Laut von oben drang zu ihnen herab:
nur einmal hörten sie dumpf aus der Ferne die unterirdischen Wasser
brausen, die vergeblich zum Lichte emporarbeiteten.
So stiegen sie tiefer und tiefer. Endlich spürten sie wieder den
Schimmer des Sonnenlichts unter sich, das mit jedem Tritte leuchtender
wurde; zugleich aber drang auch eine erstickende Hitze zu ihnen herauf.
Als sie von der untersten Stufe ins Freie traten, sahen sie eine gänzlich
unbekannte Gegend vor sich. Maren sah befremdet umher. „Die Sonne
scheint aber doch dieselbe zu sein!" sagte sie endlich. „Kälter ist sie
wenigstens nicht," meinte Andrees, indem er das Mädchen zur Erde hob.
Von dem Platze, wo sie sich befanden, auf einem breiten Steindamm,
lief eine Allee von alten Weiden in die Ferne hinaus. Sie bedachten
sich nicht lange, sondern gingen, als sei ihnen der Weg gewiesen, zwischen
den Reihen der Bäume entlang. Wenn sie nach der einen oder andern
Seite blickten, so sahen sie in ein ödes, unabsehbares Tiefland, das so
von allerart Rinnen und Vertiefungen zerrissen war, als bestehe es nur
aus einem endlosen Gewirre verlassener See- und Strombetten. Dies
schien auch dadurch bestätigt zu werden, daß ein beklemmender Dunst, wie
von vertrocknetem Schilf, die Luft erfüllte. Dabei lagerte zwischen den
Schatten der einzeln stehenden Bäume eine solche Glut, daß es den beiden
Wanderern war, als sähen sie kleine weiße Flammen über den staubigen
Weg dahinfliegen. Andrees mußte an die Flocken aus dem Feuerbarte
des Kobolds denken. Einmal war es ihm sogar, als sähe er zwei dunkle
Augenringe in dem grellen Sonnenschein; dann wieder glaubte er deutlich
neben sich das tolle Springen der kleinen Spindelbeine zu hören. Bald
war es links, bald rechts an seiner Seite. Wenn er sich aber wandte,
vermochte er nichts zu sehen; nur die glutheiße Luft Zitterte flirrend und
blendend vor seinen Augen. „Ja," dachte er, indem er des Mädchens
Hand erfaßte und beide mühsam vorwärts schritten, „sauer machst du's
uns; aber recht behältst du heute uicht!"
Weiter und weiter gingen sie, der eine nur auf das immer schwerere
Atmen des andern hörend. Der einförmige Weg schien kein Ende zu
nehmen; neben ihnen unaufhörlich die grauen, halb entblätterten Weiden,
seitwärts hüben und drüben unter ihnen die unheimlich dunstende Niederung.
Plötzlich blieb Maren stehen und lehnte sich mit geschlossenen Augen
an den Stamm einer Weide. „Ich kann nicht weiter," murmelte sie;
„die Luft ist lauter Feuer."