Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

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Maße für elektrische Arbeitsleistungen. 
Die Stärke eines galvanischen Stromes ist abhängig von dem Wider¬ 
stand, welchen er innerhalb der Leitung erfährt. Um den Widerstand zu 
messen, gebrauchte Werner von Siemens eine in einer Glasröhre eingeschlossene 
Quecksilbersäule, in deren beide Enden die Leitungsdrähte eintauchten. Es 
zeigte sich, daß der Widerstand um so größer, je dünner und länger 
die Quecksilbersäule war. Man hat nun als Maßeinheit den Widerstand an¬ 
genommen, der in einer Quecksilbersäule von 1 qmm Querschnitt und 1,06 m 
Länge enthalten ist, und nennt sie ein Ohm *). 
Zur Erklärung der übrigen Maßeinheiten vergleicht man zweckmäßig 
den galvanischen Strom mit einem wirklichen Wasserstrom. Für dessen 
Arbeitsleistung ist offenbar zweierlei maßgebend: seine Strom stärke, d. h. 
die Wassermenge, welche in jeder Sekunde durch den Querschnitt des Stromes 
fließt, und sein Gefälle. Man denke sich z. B. zwei Bäche mit demselben 
Gefälle, von denen aber der eine Bach dreimal so viel Wasser führt als der 
andere. Alsdann könnte der stärkere Bach drei nebeneinander stehende, 
gleiche Mühlen treiben, der schwächere aber nur eine Mühle. 
Nehmen wir nun an, zwei Bäche hätten zwar dieselbe Stromstärke, aber 
das Gefälle des einen Baches sei doppelt so stark wie das des andern, so ver¬ 
möchte der Bach mit dem stärkeren Gefälle zwei staffelweise übereinander 
stehende, gleiche Mühlen zu treiben, der andere Bach hingegen nur eine. 
Gesetzt nun, die Stromstärke eines Baches sei dreimal, sein Gefälle 
zweimal so groß wie bei einem andern Bache, so wird der erste Bach 
2X3 = 6 Mühlen treiben können, der zweite dagegen nur eine Mühle. 
Somit ergibt sich die gesamte Arbeitskraft eines Wasserstromes aus dem Produkt 
von Stromstärke und Gefälle. 
Die gefundenen Ergebnisse kann man nun auf den galvanischen Strom 
übertragen, nur daß an die Stelle des Gefälles die Spannung tritt. 
Die Stärke des galvanischen Stromes mißt man durch die Arbeit, 
welche er in einer gewissen Zeit leistet. Eine solche ist z. B. die Zersetzung 
des Wassers in seine Bestandteile Wasserstoff (2 Raumteile) und Sauerstoff 
(1 Raumteil). Wasser ist die chemische Verbindung dieser beiden Gase in 
dem angegebenen Verhältnis; die bloße Mischung beider aber ist das leicht 
entzündbare und explodierende Knallgas. Ein galvanischer Strom, der 
in 1 Minute 10,44 ccm Knallgas entwickelt, oder in 1 Stunde 0,336 ccm 
Wasser zersetzt, besitzt eine Stärke von einem Ampère**). Derselbe Strom 
würde aus einer kupier- oder silberhaltigen Flüssigkeit in 1 Minute 19,7 mg 
Kupfer beziehungsweise 16,1 mg Silber abscheiden (s. Nr. 100). 
Die Strom span n un g, welche zwischen der Eintritts- und Austritts- 
Stelle des elektrischen Stromes bei einer Stromquelle, z. B. einer Dynamo¬ 
maschine, besteht, hängt ab von der in der Stromquelle wirkenden stromer¬ 
regenden oder elektromotorischen Kraft. Die Stromspannung wird nach der 
*) Nach Georg Simon Obm, geboren 1787 zu Erlangen, gestorben als Univer¬ 
sitätsprofessor in München. Er stellte das Ohmsche Gesetz auf, nach welchem die 
Stromstärke um so größer ist, je größer die elektromotorische Kraft und je kleiner 
der Widerstand ist. 
**) Benannt nach dem französischen Physiker Ampère (1775—1836).
	        
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