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1757. Die Schlachten bei Prag und Kollin, 6. Mai 
und 18. Iun. — Das sah Friedrich wohl ein, daß in diesem Jahre 
der Krieg erst recht beginnen würde. Denn nun erst waren seine übri¬ 
gen Feinde mit ihren Rüstungen fertig. Die Russen brachen mit 
100,000 Mann in Preußen, die Schweden mit 20,000 in Pommern 
ein; die Franzosen zogen mit mehr als 100,000 über den Rhein, und 
endlich erklärten sich, Oestreich zu Gefallen, die meisten deutschen Für¬ 
sten auch gegen ihn, und brachten 00,000 Mann auf die Beine, so 
daß Friedrich wohl rechnen konnte, in diesem Jahre mit einer halben 
Million fechten zu müssen, denen er höchstens nur 200,000 Mann ent¬ 
gegensetzen konnte. Aber wir wissen schon, daß Friedrich nicht leicht 
den Muth verlor, ob er gleich nur vom Könige von England Georg 2., 
vom Landgrafen von Hessen, und von den Herzögen von Braunschweig 
und Gotha einige Hülfe zugesagt erhalten hatte. Die Oestreicher schie¬ 
nen ihm der wichtigste Feind; gegen sie wollte er selbst mit denl 
Hauptheere fechten; den Russen und Schweden konnte er nur wenige 
Regimenter entgegenstellen, und gegen die Franzosen und Reichstrup- 
pen schickte er seine Verbündeten. 
Die Oestreicher befehligte jetzt Prinz Karl von Lothringen, ein 
Bruder des Kaisers Franz 1., unter ihm Brown. Beide glaubten, 
Friedrich werde bei Dresden ihren Angriff abwarten. Wie erstaun¬ 
ten sie daher nicht, als plötzlich vier preußische Colonnen über die, 
Böhmen einschließenden Gebirge zogen, und sich wie reißende Berg- 
siröme auf Prag warfen! Am 0. Mai trafen sie bei Prag, auf dem 
rechten Moldauufer zusammen, und obgleich sie sehr ermüdet waren, 
auch der alte Schwerin den Rath gab, bis zum andern Morgen zu 
warten, so bestand doch Friedrich auf einem augenblicklichen Angriff. 
„Nichts! nichts!" rief er; „frische Fische, gute Fische!" — „Gut!" 
antwortete Schwerin; „soll und muß denn gerade heute geschlagen wer¬ 
den, so will ich den Feind gleich hier angreifen, wo ich ihn sehe." So 
begann die Schlacht am 6. Mai um 1 Uhr Mittags. Die Oestrei¬ 
cher hatten mehrere, zum Theil steile Hügel besetzt, und machten auf 
die anrückenden Preußen ein so fürchterliches Kartätschenfeuer, daß 
ganze Rotten niedergeschmettert wurden. Neue Regimenter hatten das¬ 
selbe Schicksal; zuletzt wankte die preußische Infanterie und stockte im 
Vorrücken, den gewissen Tod vor Augen sehend. Da sprang Schwerin 
vom Pferde, stellte sich an die Spitze eines Regiments, ergriff eine 
Fahne, und rief: „heran! meine Kinder!" Kaum hatte er zehn Schritte 
gethan, so streckten vier Kartätschenkugeln den 72jährigen Greis augen¬ 
blicklich zu Boden. General Manteufel nahm die blutige Fahne auf, und 
führte die Soldaten weiter gegen die krachende Batterie. Ein allgemeiner 
Enthusiasmus ergriff das ganze Heer; dem General Fouquö wurde der 
Degen in der Hand zerschmettert; er ließ sich die Hand verbinden, 
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