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menschenleere Wüste, in welcher es keine Bahn und kein Ziel, keine
Spur von Menschen und keinen Wechsel der Dinge, nur Morgen und
Mittag, Abend und Nacht gibt, wenn nicht ein Sturm auf einmal
den Schauplatz ändert. Man steht auf, und indem man sich ankleidet
und frühstückt, hat man mehrere Meilen zurückgelegt; man ißt ru Mit¬
tag, zu Abend, man geht zu Bette und schläft und reiset und reifet
und wird's nicht gewahr. Der Weg ist nicht Eisenbahn, nicht Fels,
noch Eis, sondern Wasser, ein trüglicbes Element. Wegweiser leuch¬
ten am Himmel, die Rosse sind unsichtbar, und doch geht es sausend,
wie ein Sturm fort. Mau hat einige hundert Reisegefährten, darun¬
ter auch vierfüßige, und Alle sind Hausgenossen und Keiner kann das
Haus verlassen, Keiner sich trennen, Keiner dem Andern aus dem
Wege gehen.
Die Morgen und Abende, ja die Tage, bis in die Gegend von
Trafalgar, wo wir des großen Helden Nelson gedachten, der hier
mit 15,000 Todten umgeben fiel, waren ziemlich kalt. Bald darauf
überfiel uns eine Windstille, welche mehrere Tage anhielt und unsere
Geduld auf eine schwere Probe setzte. Unbeschreiblich groß war die
Zahl und Mannigfaltigkeit von Fischen, die sich aus der Oberfläche
versammelten. Ihr Spiel und ihre gegenseitige Verfolgung gewährten
eine angenehme Unterhaltung. Ich sah, um nur Eins anzuführen,
wie ein Delphin einen fliegenden Fisch verfolgte, wie dieser,' um sich
zu retten, aufflog, und jener ihm, während seines Aufflugs, auf hun¬
dert Schritte nachschwamm, ihn beim Herabfallen mit hoch aus dem
Wasser gehobenen Rachen auffing, und wie endlich in diesem Augen¬
blick ein dritter Fisch den Delphin überraschte und sammt seiner Beute
verschlang.
Ich legte mich Abends in meine Hängematte. Da ich aber nicht
einschlafen konnte, so bestieg ich wieder das Verdeck, spazierte hier nach
Seemanns-Gebrauch auf und ab und schwatzte mit den Leuten auf der
Wache. So kam die Mitternacht heran. Die Wache wurde abgelöset.
Als die neue Mannschaft sah, daß sich kein Wind regte, setzte sich
Einer nach dem Andern hin, um den unterbrochenen Schlaf auf dem
Verdecke fortzusetzen. Gegen 2 Uhr nach Mitternacht glaubte ich ein
Geräusch zu hören, das vom Rudern eines Fahrzeuges herzurühren
schien. Ich ergriff den Nachtgucker und erblickte wirklich ein Fahrzeug,
welches aus allen Kräften auf uns zu ruderte. Ich winkte nun dem
wachehabenden Offizier, und da dieser das Fahrzeug für ein afrikani¬
sches Raubschiff erkannte, so wurde augenblicklich Lärm gemacht. Auf
den Ruf; „Alle Mann hoch!" war sogleich die ganze Mannschaft auf
dem Verdecke versammelt. Man suchte alle Flinten, Pistolen, Säbel
und Piken hervor; die Kanonen wurden mit Kugeln, mit Glas, Nä¬
geln und gehacktem Blei geladen.
Während der Zeit war das Fahrzeug sehr nahe gekommen. Man
nef chm mittels des Sprachrohrs zu, um eine Erklärung über seine
Anficht zu erhalten. Es antwortete mit einem Kanonenschuß, der das
Schiff jedoch fehlte. Wir konnten ihn nicht gleich erwidern, weil das
Fahrzeug von vorn kam, wo man keine Kanonen auf dasselbe richten