Full text: Dr. Ludwig Wachler's Lehrbuch der Geschichte zum Gebrauche in höheren Unterrichts-Anstalten

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Einleitung . 
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Aeussere historische Wahrheit kann durch einfache oder combinirende 
Beweisführung aus Zeugnissen bis zu einer, der mathematischen ähnlichen 
Evidenz gebracht werden; für die innere ist nur sittliche Ueberzeugung 
zulässig. Die absolute oder scheinbare und aus individuellen Vorkennt¬ 
nissen und Ueberzeugungen gefolgerte Unmöglichkeit einer durch äussere 
Zeugnisse unterstützten Thatsache oder Begebenheit verbietet zwar diese 
als unbedingt objectiv wahr geltend machen zu wollen, berechtiget aber 
keinesweges zur Verwerfung der Ueberlieferung oder zur Unterdrückung 
der Angabe, daß so etwas als geschehen überliefert sey; vielmehr gehöret 
eine solche Angabe als wesentlich-urkundlicher Bestandtheil in den histo¬ 
rischen Kreis der selbst als erwiesene und vieles andere erweisende That¬ 
sache beglaubigten Denkart, öffentlicher Meinung und Gemüthsäusserung 
eines Volkes und Zeitalters. Das Wunderbare, in so weit es zeitgemäß 
ist, darf keiner modernisirenden Auslegung unterworfen werden (Müller 
Schw. Gesch. V, S. 246 f.), sondern bleibt als unantastbares Eigen¬ 
thum der nicht nach Ansichten der Gegenwart zu beurtheilenden Vergan¬ 
genheit stehen; nur die von der Thatsache selbst wohl zu unterscheidenden 
Urtheile der Berichterstatter lassen ermäßigende Auslegungen und Berich¬ 
tigungen zu. Ueber die innere oder geistige Persönlichkeit des Geschehe¬ 
nen findet keine vollständig genügende Bewahrheitung durch Zeugnisse 
statt; diese können nur in subjektiver Hinsicht Bedeutung und Werth ha¬ 
ben; so wie sich überhaupt äusserft selten die Individualität eines Zeu¬ 
gen ganz verleugnen wird. Hier leistet daher der historische Skeptizis¬ 
mus die ersprießlichsten Dienste und wird nicht leicht in Gefahr kommen, 
seine rechtmäßige Befugnisse und Gränzen zu überschreiten. 
P. Bayle Dictionnaire hist, et critique. Rotterd. 1697. 2 Fol.; vierte Ausg. 
v. des Maizeaur. Amsterd. 1730; 1740. 4 Fol.; *Paris 1821 fl. 8. — 
F. G. Bierliug de pyrrhonismo historico. Leipz. 1724. 8; J. B. M.eli¬ 
cken Dissertationes litterariae. Lpz. 1734. 8; J. G. Berger neqI ünu£ 
£l(jt][isvo3v s. de auctoritate unius testis. Wittenb. 1724. 4; A. H. Lack- 
m ann de testimoniis historicorum non probantibus. Kiel 1735. 4. u.a.M. 
J. A. Er nesti de fide historica recte aestimanda. Lpz. 1746. 4; und in 
Opusc. philol. crit. (Leid. 1764) S. 64 fl.; J. J. Griesbach de fide hi¬ 
storica ex ipsa rerum, quae narrantur, natura judicanda. Halle 1768. 4; und 
in *Opusculis aöad. 1 p. 167 sqq. 
35. 
Die Quellen, aus welchen die Bewahrheitnng der Geschichte ge¬ 
schöpft wird, lassen sich in drey Classen ordnen. A) Die Sage, münd¬ 
liche Ueberlieferung im strengeren Sinne, ist zwar durch geistige Unmün-
	        
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