Full text: Lehrbuch der Weltgeschichte

VI 
Vorrede. 
den Sinn zu kommen. Die Folge davon ist, daß die Kenntnisse der 
Jugend in der Geschichte nn't ihrer übrigen Ausbildung in keinem Ver¬ 
hältniß stehen und ihr Wissen und ihre Urtheile meistens der sichern 
historischen Basis entbehren. Dieser Uebelstand ist für Gelehrten- 
Schulen von geringerm Nachtheil als für Real- und höhere Bürger¬ 
schulen; dort führt die Beschäftigung mit den klassischen Werken des 
Alterthums wenigstens zur Erkenntniß der griechischen und römischen 
Welt und ihrer Großthaten; der Jüngling erhält einen Begriff von 
Staatsformen und Staatsleben und findet, insofern er sich dem Studium 
widmet und einen länger« Bildungsgang durchzumachen hat, leicht Ge¬ 
legenheit, das Mangelhafte zu ergänzen und das Versäumte nachzuholen. 
Anders ist es mit den Zöglingen der Real- und Bürgerschulen, die 
großentheils ins praktische und gewerbliche Leben übergehen und einst 
den Kern des einsichtsvollern Bürgerstandes bilden werden; hier hat 
ein mangelhafter Geschichtsunterricht eine mangelhafte Menschenbildnng 
zur Folge! Nicht als ob ich nicht auch an den Gelehrten-Schulen einen 
umfassender» Geschichtsunterricht für ein wesentliches Erforderniß hielte; 
ich habe zu oft die klagende Bemerkung vernommen, daß man in den 
schönsten Jahren jugendlicher Empfänglichkeit und strebsamen Eifers 
so manches Unwichtige lerne, was man später wieder vergessen, so 
manches Wesentliche verabsäume, das man sich in der Folge mit 
Mühe und Anstrengung aneignen müsse, als daß ich nicht diesen Mangel 
bedauern sollte; ich habe zu oft gehört, wie reifere Jünglinge und junge 
Männer jenen Ausruf des Augustus redde mihi legiones! auf ihre 
Jugendlehre und Jugendjahre anwendeten, als daß ich nicht wünschen 
sollte, es möchte auch an den Gelehrten-Anstalten die Geschichte als 
ebenbürtiger Zweig einer vollkommenen Menschenbildung neben die 
klassischen Sprachen und die Alterthumskunde gerückt werden! — aber 
dem Gymnafialschüler stehen Wege zu weiterer Ausbildung offen, die 
dem ins bürgerliche Leben eintretenden Realschüler fehlen, und während 
jener auf dem soliden Boden der alten Cultur steht, wird der letztere 
mehr auf das hingewiesen, was ihm im praktischen Leben frommt. 
Sollen also die Real- und höher» Bürgerschulen wahre Bildungö- 
anstalten sein, soll durch sie der Bürgerstand, dem in unsern Tagen 
der Beruf geworden, Staat und Leben zu beherrschen und zu gestalten,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.