B. Die griechische Welt.
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rang haben, stellte einer seiner Jünger, Epikürus (c. 300) die Sinnenlust
als Ziel des menschlichen Strcbens hin und wurde der Gründer der epicu-
reischen Philosophie, die in der Folge hauptsächlich unter den reichen
und genußsüchtigen Römern viele Anhänger zählte, so daß Lucretius
Carus (c. 70) sie in ein poetisches System brachte. — Wenn der vor¬
nehme und reiche Aristipp die Genüsse des Lebens pries, so war cs na¬
türlich, daß der arme Athener Antisthenes den entgegengesetzten Grund¬
sätzen huldigte und Bedürfnißlosigkeit, Genügsamkeit und Entbehrung als
höchstes Ziel des menschlichen Strcbens hinstellte. Am weitesten ging hierin
sein Schüler Diogenes, der in einer Tonne lebte und doch die Be¬
wunderung des großen Alexander erregte. Seine Schule nennt man die
cynische, weil das arme, gcnußlose Leben, das er führte, mehr für
einen Hund (Chon) als für einen Menschen zu passen schien. Bisweilen
war freilich der Philosophenmantel des Cynikers nur Maske der Gemein¬
heit, aber öfters wohnte auch unter der schmutzigen Hülle eine große Seele;
und während bei den Römern die epikureische Schule wollüstige Wüst¬
linge erzeugte, erzog die cynische Philosophie, (die man später die
stoische nannte, weil Zeno, der Erneuerer derselben in der Stoa zu
Athen [8. 68] lehrte) stets Männer, denen Tugend und Scclenadcl über
Sinnengenuß gingen.
b) Geschichtschreibung. Herodot. Thukydides. Lenophon.
8. 82. Um diese Zeit hatte die gricch. Geschichtschreibung ihre höchste
Blüthe. Der erste, der an die Stelle der bisherigen Geschichtschrei¬
bung (L o g o g r a p h i e) die wahre Geschichtschreibung (Historie)
setzte, und daher der Vater der Geschichte genannt wird, war
Herodot aus der dorischen Stadt Halicarnaß. Er beschrieb im io¬
nischen Dialekte, (welcher damals allein für geschichtliche Darstellung
in Prosa gebräuchlich war) die Kämpfe der Griechen mit den Persern,
schaltet aber dabei gelegentlich auch die ältere Geschichte der orientalischen
und gricch. Völker ein, wobei freilich manches Fabelhafte, das er den
Erzählungen der Priester nachschrieb mit unterläuft. Der Zweck seines mit
großer Herzlichkeit und Einfalt für das Volk geschriebenen Werks ist,
zu zeigen, wie die Freiheitsliebe, die verständige Ordnung und die Ge¬
nügsamkeit der Hellenen über den Knechtssinn, die ungeordnete Masse und
den leeren Pomp des Orients den Sieg davoir trug. Herodot's Geschichts¬
bücher feuerten den vaterländisch gesinnten Athener Thukydides zur
Nacheiferung an (8- 49). Dieser wurde zur Zeit der Schlacht von Am-
phipolis verbannt und widmete die Jahre seines Exils der Abfassung
der Geschichte des pelop. Kriegs. Er bildet in vielen Dingen den
Gegensatz zu Herodot. Wie bei diesem die hohe Gesinnung der Perser-
kriege sich kund gibt, so bei Thukydides die hohe Bildung Athens zur
Zeit des pelop. Kriegs; und wie jener die einfache, verständliche Sprache
des Volks redet und die Phantasie der Leser anregt, so hat Thukydides
bei seiner gedrungenen Sprache und seinem schwerfälligen Stil den gebil¬
deten Theil der Nation im Auge und beschäftigt vorzugsweise den denken¬
den Verstand und die betrachtende sreflectirende) Vernunft. Bei Schilderung
430.