Full text: Lehrbuch der Weltgeschichte

380 Das Zeitalter der Reformation. 
nung zu handhaben und nie ohne den Rath und Willen der Stände 
zu regieren. 
5. Die Calvinisch-reformirte Kirche. 
§. 466. Johann Calvin in Genf. Auch nach der watschen 
Schweiz war der neue Glaube gedrungen. Farel und der beredte Virct 
waren die ersten Verkündiger. Waadt, durch Bern von Savoyen er¬ 
obert, nahm die Religion des neuen Gebieters an; Genf, wo die von 
den savoyischcn Herzogen eingesetzten Bischöfe sich schon längst als Feinde 
der städtischen Freiheit erwiesen, wurde unter Berns Beistand der Refor¬ 
mation und der Eidgenossenschaft zugeführt. Aber noch war die Verfassung 
schwankend, das Volk verwildert, die Sitte zügellos, als I. Calvin, 
aus der Pieardie (der von der Jurisprudenz zur Theologie übergegangen, 
bald aber wegen seiner rcformatorischen Ansichten verfolgt und zur Flucht 
genöthigt worden) sich in Genf niederließ und Ordner des republicanischen 
Gemeinwesens, Verbesserer der Sitten und wahrer Begründer des Kirchen- 
wesens wurde. Seine strenge Kirchenzncht (Disciplin) erregte anfangs 
Mißfallen und führte seine Vertreibung herbei; aber bald siegte die bessere 
Ansicht. Er wurde zurückgerufen und übte nun, gleich den Gesetzgebern 
des Alterthums, bis zu seinem Tode (1564) den größten Einfluß auf Ver¬ 
fassung, Religion, Sitte und Bildung der Stadt, die ihm ihre ganze 
Bedeutung zu danken hat. Genf wurde durch ihn eben so der Mittel¬ 
punkt des rcformatorischen Lebens für den Süden, wie Wittenberg 
für den Norden. Die Genfer Lehranstalt, wo Calvins treuer Amts- 
gencsse Theodor Beza (1519—1605), ein mit allen Vorzügen des 
Geistes, des Körpers und der Geburt begabter franz. Edelmann, seine 
vielseitige Thätigkeit entwickelte, bildete jene eifrigen Prediger, die mit 
Gefahr ihres Lebens das Evangelium in die Fremde trugen (§. 415); 
Genfer Bu chdru ckereien (Stephan ms) versorgten die meisten reform. 
Kirchen mit Rcligionsschriften; viele wegen ihres Glaubens verfolgte Geist¬ 
lichen und Gelehrten aller Nationen suchten in Genf Schutz und Obdach 
und trugen zur Hebung der Cultur wie der Bedeutung der Republik bei. 
Calvin selbst erlangte durch seine Schriften, durch seinen ausgebreiteten 
Briefwechsel, durch Rathschläge und Gutachten eine Wirksamkeit und ein 
gesetzgebendes Ansehen gleich Luther und Melanchthon. Er war ein Mann 
von wenig Phantasie, aber hohem Verstand, und von unerbittlicher Strenge 
im Denken wie im Handeln. ,,Hart gegen Andere wie gegen sich selbst, 
doch nicht ohne ein tiefes Gefühl, jedem irdischen Genusse feindselig, um 
Volksgunst unbekümmert, gebot er über die Geister durch die Ehrfurcht 
vor seinem starken reinen Willen." 
8. 467. Der Calvinismus. Die Lehre Calvins, wie er sie in 
seinem ,,Unterricht über die christl. Religion" entwickelt hat, 
trägt den Charakter ihres Urhebers — Strenge und Einfachheit. In der 
Glaubenslehre schließt er sich .größtenthcils an Zwingli an, doch 
nimmt er in der Abendmahlslehre eine vermittelnde Stellung zwischen
	        
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