Das Zeitalter Ludwigs XIV.
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gehört auch das merkwürdige in poetischer Prosa geschriebene Buch Feue-
lons, Erzb. von Cambray, die Abenteuer Telemachs, das nächst
der Bibel und der Nachfolge Christi (§. 326) die meisten Auflagen
erlebt hat. Fenelon, ein edler Mann von mildem Charakter und christ¬
licher Gesinnung und Tugend, war Erzieher der königl. Enkel und schrieb
dieses an Homers Odyssee sich anschließende Werk in der Absicht, dem
Erben des Throns die Pflichten eines Regenten anschaulich zu machen.
Da die dort aufgestellten Grundsätze durch den grellen Contrast mit der Re¬
gierung Ludwigs XlV. als eine Satire auf diese letztere gelten konnten und man
hie und da Anspielungen zu finden glaubte: so verbot der von dem neidischen Bos¬
suet gegen Fenelon aufgestiftete König nicht nur den bereits begonnenen Druck,
sondern belegte auch den Bischof, mit dessen mystisch-religiösen Ansichten er über-
dieß unzufrieden war, mit seiner Ungnade. Erst nach Ludwigs Tod wurde das
Ganze vollständig gedruckt, und zugleich die merkwürdige Abhandlung beigefügt,
in der Fenelon aus den Lehren des Christenthums die Grundsätze einer constitutio-
nellen Monarchie ableitete und die Verwaltung des Reichs nach festen Gesetzen
zur Gewissenssache der Regenten machte.
§. 598. Prosa-Literatur d er Franz o sen. Einen neuen Zweig
der Prosaliteratur bildeten die von nun an immer häufiger entstehenden
Journale sowohl politische als literarische. Unter den letztem
waren das im Sinne der kath. Kirche und des Pariser Hofes redigirte
Journal des Savans (seit 1665), die von Leclerc (Clericus) und
Bayle in den Niederlanden geleiteten Nouvelles de la république des
lettres im prot. freisinnigem Interesse und das Jesuiten-Journal
de Trévoux am bedeutendsten.
Bayle, ein während der Hnguenottenversolgnngcn ails Frankreich
in die Niederlande geflüchteter Gelehrter, war einer der scharfsinnigsten
Kritiker und hellsten Köpfe der Zeit. Sein Grundsatz, daß die menschliche
Vernunft nur vermögend sei, Irrthümer zu entdecken, keineswegs aber
die Wahrheit zu erkennen, hat seinen Untersuchungen einen auflösenden
und vernichtenden Charakter aufgedrückt. Er bekämpfte mit Freimuth und
überzeugender Gründlichkeit und Klarheit alle Irrthümer und Vornrtheile
in Kirche, Staat, Wissenschaft und Leben, und unterwarf alles Vorhan¬
dene in Sitten, Meinungen, Staatseinrichtungcn und Religion seinem
prüfenden Verstand. Seine Schriften waren um so wirksamer, als er
Meister des Stils war und selbst den gelehrtesten Abhandlungen durch
witzige und unterhaltende Darstellung und Anekdoten ein Interesse zn ge¬
ben wußte.
Sein Hauptwerk ist sein historisches und kritisches Wörterbuch,
worin er an eine Anzahl Namen aus der polit., kirchl. und literarischen Geschichte
seine gelehrten Forschungen und skeptische Betrachtungen anreiht, ein Buch, das bei
aller Ruhe und Gewissenhaftigkeit der Forschung zum Zweifel und Unglauben an¬
regt und daher von jeher heftige Tadler unter allen Parteien gefunden hat.
Auf entgegengesetztem Standpunkte steht der als Kanzelredner, Hugne-
nottenbekehrer und Eiferer für kathol. Rechtglänbigkeit bekannte Bossuet,
Fenelon
1651 —
1715.
Bahle
1647 —
1706.
Bossuet
1 1704.