Kap. 36. § 132. Griechische Philosophie. (Die pythagoreische und eleatische Schule.) 101 
Aesop aus Phrygien Meister war; endlich das Epigramm oder kurze Sinngedicht 
(zu In- und Aufschriften). 
, (Von der dramatischen Poesie s. die folgende Periode in § 168.) — In allen 
diesen, nach Geist und Form meist ausgezeichneten Dichtungen ist allerdings bei den 
meisten eine große Neigung zum Sinnlichen, bei vielen eine tiefe Kenntnis des 
menschlichen Herzens, ja Lei nicht wenigen ein tiefes Sehnen nach dem Göttlichen 
nicht zu verkennen. Zur Vollendung der Form insbesondere trug die allen Bedürfnissen 
des Geistes und des Herzens sich leicht anschmiegende, Fülle mit Klarheit, Wohlklang 
mit Beweglichkeit, Schärfe mit Weichheit vereinigende Sprache der Griechen wesentlich bei. 
(132.) Die griechische Philosophie oder Weltweisheit entwickelte sich 
zuerst aus der mythisch-religiösen Dichtkunst der Orphiker als ein Fragen 
nach dem Ursprung der Welt und der in ihr waltenden Gottheit, nahm 
dann, nach der Ausbildung des freistädtischen Wesens, eine blos prak¬ 
tische, mit der Moral und Politik verbundene Richtung, die sich in den 
Denk- und Sittensprüchen der sieben sogenannten Weisen des griechischen 
Altertums (Kleobulus, Periander, Pittacus, Bias, Thales, Chilon 
und Jolon) aussprach, suchte hierauf in der ionischen Schule die Gesetze 
des Entstehens und Vergehens zu ergründen und mit Hülfe der Astronomie 
und Mathematik zum Bewußtsein über das Leben in der Natur zu 
kommen, in der sie den Urgrund der Dinge zu finden glaubte. 
Thales hielt das Wasser für den Ursprung aller Dinge. Er war auch Mathe¬ 
matiker, Naturforscher und Astronom und kündigte auf einen bestimmten Tag eine 
Sonnenfinsterms an. Sein Schüler Anaximenes sah in der Luft den Urstoff aller 
Dinge, während Anaximander lehrte, daß das Unendliche, das Apeiron der 
Urgrund aller Dinge sei. 
Dagegen sah Pythagoras aus Samos (geb. 584) Wesen und Kraft aller 
Dinge in dem inneren Zahlenverhältnis; er betrachtete die Welt (den 
Kosmos) als ein harmonisches Ganzes, welches ein Gott (Apollon) mit 
Leben und Wärme durchdringt und nach ewigen Satzungen regiert. „Nur 
die Seelen der Menschen, die im Dienst des reinen Lichtgottes sich selbst 
zur Reinheit und Harmonie erhoben haben, kehren unmittelbar in ihre 
bleibende Heimat, in die unsichtbare Welt, in den Lichthimmel Apollon's 
zurück. Die Unreinen haben vorerst noch einen Läuterungsproceß durch 
mannigfache Wanderungen in Tier- und Menschenleibern Gietsu^dycooi?) 
zu bestehen, bis auch sie zur vollen Reinheit gelangt sind. 
Pythagoras stiftete zu Kroton in Unteritalien eine moralisch-politische Schule 
den pythagoreischen Bund, dessen Mitglieder eine strenggeregelte Lebensweise führten 
und nach ihrem Eintritt in die Staatsämter einen wesentlichen Einfluß auf die Re¬ 
gierung des Staates hatten. Allein dieser Tugendbund entging dem Neide nicht 
und fand bei einer gewaltsamen demokratischen Umwälzung 504 v. Chr. seinen Unter« 
8o"Jah^e ber ^ durch die Flucht rettete, starb zu Metapontum in seinem 
Alle diese Philosophen suchten doch den Grund der Welt größtenteils 
in etwas Übersinnlichem; Xenophanes aber aus Kolophon (538), der 
Stifter der elegischen Schule und Urheber des Pantheismus, machte 
die Welt (das Universum) zum Gott, womit er allerdings der Vielgötterei 
entgegentrat, ohne aber den ewigen Gott des Himmels und der Erde zu 
finden. Sem Schüler Parmenides (um 520) suchte in seinem Lehr¬ 
gedicht „über die Natur" die Einheit und Unveränderlichkeit des 
„ lus zu begründen, dagegen sah Heraclit „der Dunkle" in der fort¬ 
währenden Bewegung des Werdens die Ursache aller Erscheinungen. 
Der Handel, damals noch wenig entwickelt, bestand im Verkehr teils
	        
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