Full text: Geschichte des Orients und Griechenlands (Bd. 1, Abth. 1)

Die Urgeschichte. 7 
durch Selbstüberhebung verdrängt oder verdunkelt, blieb dennoch allen gebildeten 
Völkern ein gewisses Bewustsein der Angehörigkeit an das Ganze, die Mensch- 
heit, und da dies keine Befriedigung finden konnte, so regte es eine Sehnsucht nach 
Einheit, nach voller Befriedigung unter einander an. So diente die Scheidung 
der Völker dem Plane Gottes, sie der Einheit in Christo zugänglich zu machen. 
4. Natürlich mnste bei der Verschiedenheit der Bedingungen, welche die 
verschieden Länder boten, die Lebensweise der Völker sich manigsaltig 
gestalten. Ein Teil blieb in den ursprünglichen Wohnsitzen und trieb die schon 
ans deu ersten Anfängen überkommnen Künste und Beschäftigungen fort, ein 
andrer Teil sah sich genötigt wandernd andere Wohnsitze zu suchen und kehrte 
nun nach Auffindung eines solchen zum frühern Leben zurück, oder verharrte 
entweder in Folge der Gewohnheit oder weil das Land dem Ackerbau weniger 
günstig war, beim Wandern. So entstanden in festen Wohnsitzen seßhafte 
und wandernde oder Nomaden-Völker. Bei jenen nötigt die Über- 
Windung von Hindernissen, die Abwehr von Störung und der Vorteil die 
Menschen zur gemeinsamen Anstrengung und Übung der Kräfte, wie zur Teilung 
der Arbeit, durch das Zusammenwohnen wird die geistige Errungenschaft des 
einzelnen schnell Gemeingut aller, der Verkehr und die Sicherheit erheischen die 
Ausbildung fester Ordnungen und Lebenseinrichtung: bei ihnen findet sich daher 
schnelle Entwicklung zu geistiger und sittlicher Bildung, freilich jedoch auch 
raschere Veränderung zum Schlechten, bei der leichteren Möglichkeit sich Genuß 
zn verschaffen raffinierterer Sinnengenuß, ja zur Gewohnheit und Regel wer- 
dende Lasterhaftigkeit. Die Nomadenvölker dagegen verharren länger bei 
der Einfachheit, zu der sie schon die Lebensweise zwingt, die Lebensordnung 
bleibt bei der Sitte und Gewohnheit stehlt, und die Phantasie und Einbildnngs- 
kraft findet allein Ausbildung. Auch die Beschäftigung, durch welche der Lebens- 
unterhalt gewonnen wird, bedingt die Art des Volkslebens. Wärend die von 
Ackerbau und Viehzucht lebenden Menschen milderen Sitten zugänglich sind, 
versinken die mit der Jagd sich beschäftigenden durch die Gewöhnung an Aben- 
teuer und die Töduug unschuldiger Geschöpfe schnell in Verhärtung des Gemüts 
und entfremden sich den sanfteren Regungen des Herzens. Am rohesten pflegen 
diejenigen Völker zu sein, welche von der dürftigsten Nahrung, dem Fischfang, 
zu leben gezwungen sind (Ichthyophagen) und diejenigen, welche sogar die Ge- 
schicklichkeit der Errichtung eigener Wohnungen verlernt haben (Troglodyten). 
Anm. Die am Ende des vorigen und im Anfang dieses Jahrhunderts so gern 
gelesnen nnd so gern geglaubten Schilderungen von dem glücklichen Naturzustand der 
Völker Polynesiens oder der Südsee haben längst der richtigen Erkenntnis Platz ge- 
macht'), daft die Wilden nur Herabgekommeue und verderbte Volker sind, ja bei manchen 
Stämmen finden sich Erinnerungen, bei den meisten deutliche Spuren einer frühern 
höhern Gesittung. Die Unterscheidung in aetive nnd passive Völker gründet sich 
zwar auf das Auftreten derselben in der Geschichte, der letztere Znstand aber ist eben 
nur der äußerste Grad der Verkommenheit. 
5. Auch die Nachkommen Noahs kehrten sich wieder von Gott ab und ver- 
loren dadurch die Offenbarung feines Wesens und Willens, indes blieb ihnen 
doch das Bewustsein einer über ihnen waltenden höhern Macht und der Drang 
diese sich geneigt zu machen. Sie ward in Dingen und Geschöpfen gefunden, 
deren sich Gott als Werkzeuge seines Willens bedient, und indem nun Geschass- 
nes an die Stelle des Schöpfers gesetzt und die diesem zukommenden Eigenschaften 
auf jeues übertragen wurden, entstand das Heidentnm, welches bei den ver- 
1) Meinicke, Die Südseevölker und das Christentum S. 3 u. 126. — 2) Vou 
Klemm in seiner Kulturgeschichte gemacht.
	        
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