218 Die Dreißig in Athen.
es ihm gelänge, den Perserkönig zur Unterstützung Athens zu bewegen, der
Stand der Dinge keinen Bestand haben werde, gewann er Lysandros und dieser
dann den Satrapen Pharnabazos, den gefährlichen Mann zu beseitigen. Auf
der Reise zum Perserkönig ward Alkibiades in Phrygien verräterisch ermordet^).
Die erste Maßregel, welche die Gewaltpartei durchsetzte, war, daß 3000 Bürger
auserlesen, allen übrigen aber die Waffen abgenommen und auf der Akropolis
verward wurden^). Da sich Theramenes den nun folgenden Anträgen auf
Töduug und Verhaftung politischer Gegner und reicher Leute, um Geld zur
Besoldung für die Wächter der Tyrannei zu beschaffen, widersetzte, bewirkte
Kritias auf dem Weg der Gewalt seine Verurteilung zum Giftbecher^) und
veranlaßte nun das abscheulichste Wüten. Da war kein rechtschaffner Bürger
sicher, der Reichtum und rechtlich erworbne Besitz ward zum Verbrechen ge-
stempelt und alle Formen des Rechts und der Gesetze unter frevelndem Hohn
mit Füßen getreten; 1500 Bürger wurden ohne Urteil und Recht hingerichtet
und mehr als 5000 zur jammervollen Flucht aus der Heimat genötigt — eine
Grausamkeit, wie sie der blinde Pöbel sich nie hatte zu Schulden kommen
laßen *).
2. Die athenischen Flüchtlinge fanden in den Städten, welche vorher die
hartnäckigsten und erbittertsten Feindinnen gewesen waren, in Megara und
Thebä, trotz des von Sparta ergangnen Verbots gastliche Aufnahme und Schutz,
weil der Spartaner despotische Anmaßung bereits unerträglich geworden war5).
Von Thebä aus bemächtigte sich Thrasybulos mit etwa 70 Verbannten der
Festung Phyle im nördlichen Gebirg. Der Angriff, welchen die Dreißig mit
ihren 3000 Bürgern und den Reitern machten, mislang in Folge heftigen
Schneefalls, das aus dem größten Teil der lakonischen Besatzuug und zwei
Phyleu Reiter bestehende Beobachtnngseorps schlug Thrasybulos, dessen Schaar
bereits auf 700 angewachsen war, durch Überfall gänzlich^). Wenige Tage
darnach gelang es dem kühnen Führer, mit dem immer mehr Flüchtlinge sich
vereinigten, sich des Peiräeus zu bemächtigen. Das Heer der Dreißig ward
in Munychia geschlagen und Kritias siel7). Da zeigte sich nicht allein, wie faul
die Grundlage der Tyrannei war, fondern auch die erbärmliche Feigheit der
Gewalthaber. Selbst unter die Dreitausend kam die durch Verkehr mit den Ver-
bannten erweckte Besonnenheit. Die Dreißig, ihrer Stellung entsetzt, floh.« nach
Eleusis, wo sie sich durch Mord eiue Zufluchtstätte bereitet zu haben glaubten,
die Regierung ward einem Collegium von zehn aus den einzelnen Phylen er-
wählten Männern übergeben ^).
3. Indes wollten auch diese, gestützt auf eine wegen der begangnen Un-
thaten in Furcht fchwebende Partei, die gewünschte Versöhnung mit den Volks-
genoßen im Peiräeus uicht und sandten, wie der Rest der Dreißig von Elensis
aus, nach Sparta um Hülfe"). Lysandros hatte das lebhafteste Interesse sein
Werk zu erhalten uud er setzte es durch, daß er den bedrängten Oligarchen zu
Hülfe gesandt ward10). Da ward Thrasybulos und den Seinen unerwartete
Rettung. Es erhob sich in Sparta selbst eine Partei, welche begriff, in eine wie
verhaßte Stellung der Staat durch Lysandros' Masregeln bei ganz Griechenland
gebracht worden sei, und welche Gefahren dem Staat von dem Ehrgeiz und der
Herfchfucht des Mauus uoch dröhn möchten mit Besorgnis betrachtete. Vor
1) Plnt. Alk. 38 f. — 2) II 3, 18—20. — 3) II 3, 31—Ende. — 4) II 3, 39 f.
4, 8 —10 u. 21. Lvs. atlv. Erat. 4 — 24 u. 52, adv. Agor. 4. Isoer. Areop. 67.
Aeschin. f. 1. 77. Plat. Apol. 32c. — 5) III 5, 8—15. Lys. adv. Erat. 97. — 6) II 4,
2—7. — 7) II 4, 10—19. — 8) II 4/20—24. — 9) II 4, 25—28. Lys. adv. Erat.
53—61. — 10) II 4, 28 f.