Full text: Geschichte des Orients und Griechenlands (Bd. 1, Abth. 1)

Die Dreißig in Athen. 219 
allen andern war er den Königen verhaßt, da er von dem Ausland mehr ge¬ 
fürchtet als geehrt ward und im Staat selbst bedeutenderen Einfluß geltend 
zu macheu wüste, als sie, deren Amt und Würde durch ihre Abstammuug vom 
göttlichen Herakles geheiligt war. Kaum war er gegen Athen ausgezogen, so 
erreichte der König Pausauias, da drei der Ephoreu für ihu stimmten, daß 
er mit einem Heer ebenfalls nach Attika gesandt ward; hier aber unterhandelte 
er und brachte mit Zustimmung der Behörden in der Heimat einen Friedens - 
vertrag zwischen den kämpfenden Parteien zu Staud. Die aus dem Peiräeus 
zogen in die Vaterstadt ein 403 und nachdem auch die nach Elensis geflüchteten 
durch Tödtuug ihrer Führer zur Versöhnung gebracht worden waren, schwand 
die düstre über dem gedemütigten Athen gelagerte Unglückswolke *). 
4. Von dem Archon Eukleides wird die neue Ära in der Verfaßung 
Athens genannt, in der es, wenn auch der Macht nach außen und des frischen 
begeistrnngssähigen Staatslebens verlustig, doch in humaner Bildung eine 
ehrenvolle Stellung behauptet. Es war ein hochherziger Beschluß, daß niemand 
wegen seit den letzten Kriegszeiten begangner politischer Handlungen verfolgt 
werden folle, mit alleiniger Ausnahme der Dreißig und den unter ihnen im 
Amt gewesnen Eilsmännern (den Vorstehern der Gefängnisse und der Hin- 
richtungen), denen indes die Rechtfertigung gestattet blieb. Alle Bürger leisteten 
darauf den Eid und von da an stets die Ratmänner und die Richter — und 
wenn wir auch uoch Ausbrüche von Groll uud Haß wahrnehmen, Verfolgungen 
von Partei gegen Partei ftub nicht vorgekommen ^). Zwar hatte die Vergangene 
heit gelehrt, wie leicht der Übergang von der Demokratie zur Ochlokratie sei, 
und es ist deshalb der Antrag das aetive Bürgerrecht vom Besitz von Gruud und 
Boden abhängig zu machen als wolgemeint zu betrachten^), aber man hätte 
dadurch mit der faetifchen Entwicklung des Staats gebrochen und die Herstelluug 
in der Zukunft abgebrochen, man beschloß deshalb zu der solonischen Verfaßung, 
aber mit den durch die Zeitverhältuifse gebotnen Modifieationen zurückzukehren. 
Zur Revision ward eine Kommission eingesetzt nnd deren Werk der Prüfung 
durch den Rat uud 500 Nomotheten überlaßen, dann aber dem Areiopag, der 
selbst den Dreißig gegenüber seine Rechtschaffenheit bewärt hatte, die Aufbewah- 
rnng und die Wacht über die Gesetze zurückgegeben^). 
lKyros der jüngere und der Zug der Zehntausend. 
8 85. 
I. 401 trat im Perserreich eine Begebenheit ein, welche die wichtigsten 
Folgen hatte. Vergeblich hatte sich die Königin Parysatis bemüht, ihrem jün- 
gern Sohn Kyros die Nachfolge auf dem Thron zuzuwenden, nach Dareios II 
Tod 404 bestieg denselben der ältre Sohn Ar tarer res II Mnemon 
(404 — 362). Obgleich durch Tifsaphernes die Absicht des Kyros den 
Bruder zu ermorden offenbart ward, erhielt er Verzeihung, ja sogar seine bis- 
herige Stellung, dachte aber trotzdem an nichts anders, als sich mit Gewalt des 
1) II 4, 29 — 43. Über die Zeit Peter 86, 156 a. E. — 2) II 4, 43. Hauptstelle 
Andoc. de rnyst. 81—91. Die dreißig und 11 waren auch in dem von Pausauias 
gestifteten Frieden auSgeschloßeu. Vgl. übrigens Weißenborn: Hellas 213 und Scheibe: 
D. Verfaßnngsver. 131 f. — 3) Schöm. Verfaßungsgesch. 89 — 94. — 4) Bischer: 
Untersuchungen über die Verfaßuug Athens 23. Raucheustein: Einleitung zu Lysias' Rede 
gegen Nikomachoö. Curtius Griech. Gesch. III l —52. Vom Archontat deö Eukleides 
datiert nicht nur eiue ueue Formulierung, sondern anch die Einführung der neueru 
attischen Schrift in den Urkunden.
	        
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