Hadrianus 117 —138.
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Aber auch von jeder Seite des Verwaltungs- und Gerichtswesens nahm der
Kaiser genauste Kenntnis und seine „Hand lastete schwer auf den Beamten,
welche ihre Schuldigkeit nicht thaten. Überall wurden ferner die Straßen und
Wasserverbindungen verbessert, für die Erhaltung ehrwürdiger Denkmäler
Sorge getragen, an zweckmäßigen Punkten neue Städte H gegründet, die
alten mit neuen herlichen Bauten geschmückt. Zwar kann nicht geleugnet wer¬
den, daß Hadrianus dabei sich oft von blinder Vorliebe leiten ließ und manche
Städte und Gegenden durch seine Launenhaftigkeit (Antiochien z. B.) zu
leiden hatten: indes der Ruhm bleibt ihm unverkürzt, daß kein Kaiser eine
so unermüdliche und umfassende Thätigkeit den Provinzen gewidmet hat.
6. In religiöser Beziehung zeigt sich Hadrianus als ächtes Kind
seiner Zeit. Ihm ist die letzte Spur eines positiven Gottesbegriffs verloren
gegangen. Muß man es nicht als eine schnöde Gleichgültigkeit gegen das, was
die Vorfahren geglaubt hatten, ansehn, wenn er Tempel baute ohne sie einem
Gott zu weihn und eine Statue in ihnen zu errichten-)? Unkst erscheint es
nicht geradezu als eine höhnische Beschimpfung alles Gottesglaubens, wenn er
seinen Liebling, den schönen Jüngling Antinous^), für einen Gott erklärte
und als solchen verehren ließ? Was nur der Orient an Mystik, Astrologie
und Magie erzeugte, erforschte und trieb er auf das eifrigste und bildete
sich selbst Wunderthätigkeit ein. Schlimm schon genug daß er für seine Person
solchem Wahn verfallen war, aber noch schlimmer, daß er durch sein Beispiel,
seine Duldung, ja Förderung das Unwesen zum verderblichsten Grad steigerte.
Was hat es da zu bedeuten, daß er die Christen nicht uni ihres Glaubens,
sondern nur um wirklicher Staatsverbrechen willen zu strafen gebot H? Wirkte er
doch gerade für das, was ihnen mit dem größten Fanatismus gegenüber stand.
7. Auf die L i tteratur hat Hadrian einen so bestimmenden Einfluß aus¬
geübt, daß wir hier sogleich ihre Entwicklung bis zum gänzlichen Ruin mit
Mareus Aurelias' Tode zusammenfassen können. Wie er selbst allen Wissen¬
schaften trotz der angespannten Thätigkeit für die Regierung des Reiches Kraft
und Zeit widmete, so hatte er stets Gelehrte in seiner Umgebung und benutzte
sie zweckmäßig selbst zu Staatsgeschäften. Die Schulen in Rom, Athen,
Smyrna und Alexandrien wurden von ihm auf das reichlichste ausgestattet
und jedes Streben freudig aufgemuntert. Freilich beherschte ihn selbst gänz¬
liche Geschmacklosigkeit, die sich nicht allein in seinen eignen Gedichten und
Arbeiten aussprach, sondern noch schlimmer in dem Streben die ewig gültigen
Muster^) zu verdrängen. Auch vertrug er keinen Widerspruch und mancher
Gelehrte muste sogar durch seine Eifersucht schwer leidenG), aber wir würden
immer seine Bestrebungen anerkennen müßen, wenn nur nicht durch ihn jene
1) 9 Städte trugen von ihm den Namen Hadrianopolis, doch blieb derselbe nur
an der in Thrakien und der in Kyrenaika haften. — 2) Daran hat sich die stabel
geknüpft, daß er diese Tempel Christo habe weihn wollen und nur durch die Vor¬
stellung der heidnischen Priester davon abgehalten worden sei. — 3) Antinous
stammte aus Bithyuien und ertrank auf der Reise des Kaisers im Nil. Schauerlich
ist die Erzählung, daß er sich selbst geopfert, damit der Kaiser au seinem Körper-
magische Künste und Studien treiben könne. Seinem Andenken wurde nicht allein
die Stadt Antinoopolis in Ägypten gewidmet, sondern auch ein großer Teil der
Knnstbestrebungen (s. unten 8). — 4) Lnaeb. 1>. e. IV 8 und 9. Bemerkenswert
ist, daß er in Athen Apologien für die Christen von Quadratus und Aristeides ent¬
gegennahm (Gregorov. S. 34). Ist aber fein Brief au Servianus (bei Flav. Vopisc.
Saturn, c. 8) aus dem I. 134 acht, so gibt er ein trauriges Zeugnis für die Auf¬
fassung des Kaisers. — 5) Dem Cicero zog er Cato, dem göttlichen Homeros den
Antimachos vor. — 6) Soeutzog er Favorinns, weil er sich scheute ihn zu beseitigen,
seine Schüler.
Dietsch, Lehrbuch d. Geschichte. II. Bd. 1. Abth. 2. Ausl.
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