Full text: Die Zeit von Christi Geburt bis zum Regierungsantritt Karls des Großen (Bd. 2, Abth. 1)

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Hadrianus 117-138. 
Reichtums luden um so kräftiger zum Befolgen des von den Vorfahren gegeb¬ 
nen Beispiels ein, als die meisten Kaiser ihre Ehre darein setzten , Italien und 
besonders die Hauptstadt Rom zum Glanzpunkt der Welt zu machen. Die 
Technik erreichte, durch den reichen Lohn ansgefordert, eine hohe Vollendung 
und in Nachahmung der griechischen Vorbilder ward manches Meisterwerk ge¬ 
schaffen, ja die ganze häusliche Einrichtung selbst der Provinzialstädte, wie 
wir sie in den aufgedeckten Resten von Pompeii anschaun, beweist eine Vorliebe 
für und eine Geschicklichkeit in künstlerischer Ausbildung, wie sie kaum ein 
andres Zeitalter aufzuweisen hat. Allein die Kunstwerke tragen die Kennzeichen 
des Verfalls an sich. Nicht nur finden wir in ihnen gar häufig das Streben den 
Sinnen zu schmeicheln, sondern es zeigt sich auch überall als Motiv die Ab¬ 
sicht mit Reichtum und eitlem Ruhm der Kunstliebe zu glänzen, bei den Kaisern 
ihre Göttlichkeit zu verherlicherE). War noch immer der Sinn für die har¬ 
monische Schönheit der Griechen vorhanden, so trat durch das zuletzt erwähnte 
Streben die Vorliebe für die orientalische Kolossalität hinzu, aber die durch 
den Despotismus jeder Richtung und Bewegung des Lebens ausgeprägte Hastig¬ 
keit ließ nicht die Verarbeitung, die Ausbildung eines neuen Kunststils zu, 
und die Sucht das vorausgegangne zu überbieten verleitete zur Unnatur und 
zur Überschätzung des Materials. Das goldne Haus Nero's mit seinem kost¬ 
baren Schmuck und seinen Kolossalstatuen bietet dazu den Beleg und die Reliefs 
an der Traianssäule und den noch vorhandnen Triumphbögen zeigen bei aller 
Trefflichkeit doch eine Überladung mit äußrem Schmuck, wie sie sich auch an 
den Frontseiten der Häuser findet. Hadrianus bewies eine solche Baulust und 
Kunstliebe, daß alle Provinzen mit Gebäuden, die er errichten ließ, einzelnen 
Denkmälern, wie ganzen Städten, erfüllt wurden. Bei dem Gedanken daran, 
welche Ungeheuern Geldmittel dazu das Reich liefern raufte, können wir uns 
nicht enthalten, sie als eine tyrannische Wut zu bezeichen, wenn auch die uns 
erhaltuen (wie die nrolos Hadriani, jetzt Engelsburg in Rom) und die Trüm¬ 
mer (wie die seiner tiburtinischen Villa) als für alle Zeiten bewunderns¬ 
wert anerkannt werden mitten2). Kunstverständnis ist ihm ebenfalls nicht ab- 
zufprechen, wenn schon sein Bemühn die Einfachheit der alten Kunststile 
wieder zurückzusühren an denr Streben sie alle zu vereinigen scheitern muste. 
Sein wahnwitziger Antinouscult hatte für die Plastik die wolthätige Folge, 
daß die idealisierte jugendliche Schönheit, wie sie in den alten Apollon - und 
Bakchosbildern uns entgegentritt, in trefflichen Kunstwerken erstrebt ward. 
Aber mag auch noch vieles einzelne Lob verdienen, mag man auch dem ganzen 
den Namen einer Blütezeit nicht versagen wollen, es ist doch nur eine Nach¬ 
blüte, die von dem frischen und gesunden Leben nichts in sich tragend, am 
absterbenden Baum nur als eine Erinnerung au den Frühling unser Gefühl 
anspricht 3). 
9. Schweres Körperleiden hinderte Hadrianus nach dem I. 134 an 
fernern Reisen und ihm ist wol auch ein Anteil an der Tyrannei zuzuschreiben, 
1) Daraus gieng auch die Unsitte hervor, Kunstwerken durch neue Inschriften 
eine andre Bedeutung ju verlcihn, ja durch Anfsctznng neuer Köpfe schöne 
Bildsäulen in Portraitstatucn umzuwandeln. — 2) Daß auch Private gleichem 
Streben angeregt wurden, beweist Herodes Atticns. — 3) Winckelmann ver¬ 
gleicht die Hülfe, welche Hadrianus den Künsten gab, mit den Speisen, welche 
Arzte den Kranken reichen, um sie nicht sterben zu lassen, aber auch um sie nicht zu 
nähren. Wir können dies Bild ans so vieles Gute, was diejenigen, welche sich nur 
an Äußres halten, vermocht hat, die hier behandelte Kaiserpcriode als das glück¬ 
liche Zeitalter der Menschheit zu Preisen, anlvcndcn, ohne damit über die Personen, 
welche es wirkten, den Stab Ul brechen.
	        
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