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Amerika. 
Der Besuch des Niagarasalls ist gegenwärtig sehr erleichtert und 
-u einer Lustpartie gemacht. Zwei bequeme hölzerne Brücken sind von 
dem Amerikanischen Ufer über die Stromschnellen hinweg nach der Zie¬ 
geninsel geschlagen. Die erste Brücke führt auf eine kleine Insel, 
the bath Island genannt, weil man auf derselben eine Bade-An- 
stalt mit einem Billardsaal eingerichtet hat. Die zweite Brücke geht 
alsdann nach der Ziegeninsel selbst, die mit alten herrlichen Baumen 
bewachsen ist. Die Indianer, welche vormals in dieser Gegend lebten, 
hielten diese Insel für heilig und glaubten, der große Geist bewohne 
dieselbe. Und in der That, wie könnte sich der große Geist unwider¬ 
stehlicher offenbaren, als in dieser zermalmenden Gewalt des ungeheuren 
Wassersturzes? Auf der Infel selbst kann man ganz nahe an den Ame¬ 
rikanischen Wasserfall hingehen und in den Abgrund hineinschauen. 
Vom untern Ende des Wasserfalles sieht man indessen fast nichts, 
weil alles in Schaum und Dampf eingehüllt ist. Nicht minder kann 
man sich auf der Ziegeninsel dem andern und bei Weitem größern 
Theile des Falles, dem Canadischen nahen. Hier ist das Getöse noch 
viel stärker, als auf der andern Seite, und es ist schauerlich und 
grausend, in den Horst Schoe (Hufeisen, so nennt man die halbrunde 
Aushöhlung in der Mitte des Canadischen Falles) hinabzusehen. Auch 
kann es nur augenblicklich geschehen, wenn der Wind den Dampf ein 
wenig hinwegtreibt. Von der Ziegeninsel kann man auf einer Treppe 
nach dem untern Fluß hinabsteigen. Jedoch auf der Canadischen Seite 
hat man eine viel schönere Ansicht der Wasserfalle; denn man über¬ 
sieht beide Fälle zugleich. Auch hier führt eine hölzerne, ebenfalls be¬ 
deckte Treppe bis zu dem Fuße des Wasserfalls. Sowohl auf dem 
Amerikanischen als Canadischen Ufer sind jetzt gute Wirthshäuser für 
die ankommenden Fremden angelegt. Die Wirthshäuser auf der Ca¬ 
nadischen Seite sind gerade über dem Falle erbaut; besonders ist in der 
Nähe des einen, das Forsyth Hotel heißt, der einzige Punkt, von 
welchem man eine vollkommene Aussicht auf beide Falle zugleich hat; 
sie wird indeß oft durch die aufsteigenden Wasserdampfe gestört. Auf 
dieser Seite hat man auch auf der Spitze des an den Fall gränzen¬ 
den Tafelfelsen (Table Rock) einen Thurm errichtet, auf dessen Gal- 
lerie man in der That über dem Falle hangt. Indeß soll nach einer 
neuen Nachricht der Tafelfelsen, der schon seit einiger Zeit beträchtlich 
unterwühlt war, eingestürzt seyn. 
Etwas unterhalb des Falles gewinnt der Niagarafluß wieder seine 
frühere sanfte Schönheit, und der Reisende genießt, wenn ec seinen 
Blick aufwärts richtet, ein prachtvolles Schauspiel, indem die Niagara¬ 
fälle in einer Ausdehnung von 3000 F. sich ausbreiten, und ihre un¬ 
geheuren Wassermassen mit furchtbarem Getöse herabstürzen. Wenn 
man Queenstown, etwa M. unterhalb der Fälle erreicht, auf der 
kanadischen Seite: so ändert sich der Charakter der Gegend plötzlich, 
und dieselbe erhebt sich zu steilen, hohen Bergrücken, die in frühern
	        
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