Full text: Die Zeit von Christi Geburt bis zum Regierungsantritt Karls des Großen (Bd. 2, Abth. 1)

62 
Galba, Otho, Vitellins 68 und 69. 
Vergeblich forderte die Treue der ihn umgebenden Soldaten Otho auf, den 
Kampf nicht aufzugeben, vergeblich ward ihm die Meldung, daß die Vereini¬ 
gung mit den bereits bis Aquileia gelangten mösischen Legionen das Kriegs¬ 
glück wenden könne, er gab sich, nachdem er für die Seinen nach Kräften ge¬ 
sorgt, selbst den TodH im 37. Lebensjahre, nachdem er 95 Tage das Diadem 
getragen. 
4. Wärend der nach Mutina mitgegangne Senat in einiger Gefahr 
schwebte, weil er, von Othonianern umgeben, Vitellins nicht sofort huldigen 
konnte, herschte in der Hauptstadt selbst so große Sorglosigkeit, daß die Spiele 
der Ceres gefeiert wurden; der Stadtpräfect Flavins Sabinus vereidete die 
vorhandnen Truppen dem Vitellins und Volk und Senat wetteiferten sofort 
mit Ehrenbezeugungen für diesen, obgleich die Ausschweifungen, welche die 
zügellosen Soldaten allenthalben in Italien begiengen, ernste Sorge erregen 
muflen^). A. Vitellins empfing noch in Gallien die Nachricht von dem 
Siege, zu dessen Erkämpfnng er selbst nichts beigetragen hatte. Wir können 
die Anordnungen übergehen, welche er zur Herstellung der Ruhe traf, nicht 
aber, daß er schon auf der Reise sich als den erwies, dem der Bauch der Gott, 
Wollust und Üppigkeit das Lebenselement waren, und daß je näher er Rom 
kam, desto ähnlicher dem Hofstaate Nero's feine Umgebung wurdeWie ein 
Heuschreckenschwarm verwüstete der Zug die Orte und Gegenden, wohin er 
kam, und blutige Raufereien unter dem Geleite fielen dicht vor der Stadt 
und auf deren Straßen vor. An die Stelle der entlassuen alten Prätorianer 
traten die rohsten und ungeschlachtesten Soldaten aus dem Heere und dem 
Pöbel (20000 M.). Die elendesten Menschen beherschten den Kaiser, welcher 
den unter sich uneinigen Cäciua und Valens alle Regierungsforgen überließ. 
Ehrenstellen und was nur gewünscht ward erhielt, wer Vitellins Gaumen am 
besten zu kitzeln wüste, und obgleich der Staatsschatz leer war und den Sol¬ 
daten alle Zügellosigkeiten nachgesehen werden mußten, weil ihnen das Donativ 
nicht bezahlt werden konnte, wurden in wenigen Monaten neunhundert Mil¬ 
lionen Sestertien (45 Mill. Thlr.) verschwendet^). Es war gut, daß er be¬ 
siegt und vom Throne gestürzt wurde, aber er ward es durch die Treulosigkeit 
derer, welche Galba verraten hatten H. Unter den römischen Feldherrn erschien 
keiner zur Gebieterschaft über das Reich und Herstellung der Ordnung und 
Ruhe geigneter, als T. Flavins Vespasianus, welcher, nachdem er sich 
1) Tue. h. II 46 — 51. Bei der Beurteilung von Otho's Selbstmord darf man 
eben so wenig vergessen, daß er ein Römer und eilt Heide war, wie daß die Alten 
und überhaupt alle vom jenseitigen Leben nichts wissende das freiwillige Scheiden 
ans diesem, ihrem höchsten Gute, als die That eines bewundernswerten Mutes und 
höchster Entsagung betrachten. Auch darf schwerlich bezweifelt werden, daß ihn wirk¬ 
lich die Absicht, die Schuld der Verlängerung des Blutvergießens nicht auf sich zu 
laden und den Seinen die Versöhnung mit Vitellins zu erleichtern, zu der That 
trieb. Allein es möchte doch nicht zu leugnen sein, daß ihm jene Energie, welche 
das einmal nnternommne dnrchznführen weiß, so lange es möglich ist, mangelte, 
daß ihm ferner eine klare Einsicht in Vitellins' Wesen und die Zustände Roms und 
des Reiches abgieng, rnrd er demnach nicht erkannte, wie wenig er doch mit seinem 
Tod einen wirklichen Nutzen erzielt. Ich kann daher meine Überzeugung nicht zurnck- 
halten: Otho's Selbstmord erscheint mir als die That eines Theaterprinzen, der, 
nachdem er nur sich selbst gelebt hat und nun Leiden und Gefahren bestehn soll, 
lieber mit einer Rührscene von der Bühne scheidet. — 2) Tao. In II 52 — 56. — 
3) Tac. In II 57 — 73, dessen Schilderung um so glaubwürdiger erscheint, als er 
sich allen Anekdotenkrams enthält. — 4) Tac. In II '87—95. Einen ganz deutlichen 
Beweis von der Sinnesart des Vitellins liefert die-Ermordung des Junius Bläsus 
Tao. In III 38. 39. — 5) Tao. In III 86.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.