Full text: Griechische Geschichte

Charakter des Artaxerxes. 
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Pasargadä, einer von Cyrus, bem Stifter ber Monarchie, erbauten Stabt, 
wo biefer auch begraben lag. Dort empfingen bie Könige bie feierliche 
Weihe zum jgerrfcheramte; man hing ihnen ben Waffenrock um, ben ber 
große Cyrus getragen hatte, bevor er König wurde; bazu mar es Sitte, 
daß sie ein Muß von Feigen uub einige grüne Körner vom Therebinthen- 
baume aßen nnb einen Becher saurer Milch tranken. Die feierliche Hanb- 
luug sollte eben vor sich gehen, als ber Statthalter von Jouieu uub 
Karien, Tisfaphemes, ben Cyrus bei feiner Reife nach Susa mitgenom¬ 
men hatte, bem Könige anzeigte, fein Bruber habe im Sinne, in bem 
Heiligtnrne selbst, wenn Artaxerxes feinen Waffenrock ablege, um ben 
bes Cyrus umzuthun, ihn zn überfallen unb nieberzumachen. Sofort 
würbe ber Prinz ergriffen, um auf ber Stelle hingerichtet zu werben; aber 
Paryfatis erweichte burch ihr Flehen ben jungen König, baß er bes Brubers 
schonte uub ihn wieber als Statthalter über jene brei Laubschasten nach 
Sarbes ziehen ließ. Jnbeffen bankte Cyms ihm biefe Gnabe nicht: bie 
Statthalterschaft schien ihm etwas geringes gegen bie Krone, auf bie er 
gehofft hatte, uub in rachsüchtigem Anbenken an bas Schicksal, mit bem 
er bebroht gewesen war, erhitzte er sich noch mehr als zuvor in ber Be- 
gierbe nach ber königlichen Gewalt. 
Die Erzählungen ber Griechen lassen bie beiben Brüber als sehr 
verschieben erkennen. Von Artaxerxes rühmt Plutarch bie Kiublichkeit mit 
welcher er als Prinz bie Jungfrau zur Gemahlin genommen, welche ihm 
von feinen Eltern bestimmt worben fei, unb andererseits bie zärtliche Liebe, 
mit welcher er feilte Gattin Statira geehrt unb hochgeachtet, ja mit Lebens¬ 
gefahr gegenüber bem Zorne feines Vaters unzertrennlich an ihr festge¬ 
halten habe. So ließ er bie Königin gegen bas alte Herkommen in einem 
offenen Wagen burch bie Stabt fahren unb bie Bürgersfrauen herbei¬ 
kommen, sie begrüßen unb mit ihr sprechen; überhaupt waren feine Nei¬ 
gungen mehr bürgerlicher als königlicher Art. Er wich gerne uub mit 
Vorgebucht ab von ber persischen Hofsitte, bie schon von ben mebifchert 
Zeiten her bem Könige jeben Verkehr mit beu Unterthanen, ja sogar mit 
ben nächsten Anoernxinbten erschwerte unb, währenb bie Soffitte verbot, 
baß mit bem Könige irgeub jemanb außer feiner Mutter unb feiner Ge¬ 
mahlin an bemfelben Tische faß, zog Artaxerxes auch feine beiben jüngsten 
Brüber an feinen Tisch. Es war ihm nicht barum zu thun, anberit feine 
Gewalt nnb Herrlichkeit fühlbar zu machen. In Strafen war er in ber 
ersten Zeit feiner Regierung menschlicher, als man im Morgenlanbe zu 
fein pflegte; bagegen belohnte er jeben ihm erwiesenen Dienst mit glän-
	        
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