Full text: Die Zeit von Karl dem Großen bis zu den Kreuzzügen (Bd. 2, Abth. 2)

260 
Heinrichs IV spätere Negierung und Ende. 
war, ausbrachen, aber dem Fortschreiten von Clemens' III Partei kein Ziel 
setzten. Nachdem er auf der Synode zu Benevent Wibert gebannt, Hugo 
von Lyon und Richard von Marseille aus der Kirchengemeinschaft aus- 
geschloßen, jedoch auch das Jnvestiturverbot erneuert hatte, erlag er am 
16. Dec. 1087 der von Tag zu Tag gewachsnen Krankheit'). 
5. So weit war es mit dem Cardinalscollegium rückwärts gegangen, 
daß sich lange kein Platz zur Vornahme einer neuen Papstwahl fand. Anfang 
1088 ward sie nach Terracina ausgeschrieben, aber denen, welche nicht 
erscheinen könnten, die Einsendung schriftlicher Zustimmung zur Handlung 
nachgelaßen. Über die Person herschte kein Zweifel. Otto von Ostia, von 
Victor III, nachdem er sich mit ihm versöhnt, empfohlen, ward als Urban II 
(12. März) gewählt (1088 — 99). Gewaltig durch seine Rede die Herzen 
zu bewegen, aber schmiegsam in die Verhältnisse sich fügend und in der Wahl 
der Mittel weder an die Sitten-, noch an die Kirchengesetze streng sich bindend^), 
erstrebte er der Kirche die Weltherschaft. Dazu ergriff und verwirklichte er 
die Idee, welche schon Gregor VII als im Zuge der Zeit liegend erkannt 
hatte: indem er das Papsttum zum leitenden Mittelpunkt der großartigsten 
Bewegung, des Waffenkampfs gegen die Nichtchristen, machte, erhob er dasselbe 
in Wahrheit zur geistigen Spitze der gesamten abendländischen Christenheit. 
Neues Leben kam in die Kirchenpartei, seine Botschaften nach allen Ländern 
stellten die Einheit in derselben her und wenn auch nicht sofort vom Ausland 
materielle Hülse ward, die Verhältnisse in der Nähe gestalteten sich schnell 
günstiger ^). Ein Übereinkommen mit dem Kaiser Alexios stellte sich in 
Aussicht und Graf Roger von Sieilten, der vollständigen Unterwerfung 
des Eilands ganz nahe, vermochte, Urbans II Partei mit Begeisterung ergrei¬ 
fend, den Herzog Roger, dem der Beistand seiner dem Tod entgegen¬ 
gehenden Mutter Sigilgaita (ff 1089) nicht mehr so thatkräftig zur Seite 
stand, Bohemund durch Abtretung Tarents nebst mehrern Burgen zu 
befriedigen und auf der Synode zu Melfi (10. u. 11. Sept. 1089) dem 
päpstlichen Stuhl den Vassalleneid zu leisten H. Obgleich Heinrich IV den 
König Konrad (ob. 3) nach Italien gesandt hatte, fügte Mathilde dem 
nach Ravenna zurückgekehrten Clemens III und der kaiserlichen Partei mit 
Hülfe der Pataria und der Bürgerschaften ihrer Städte, welche sie durch Privi¬ 
legien an sich kettete, Verlust auf Verlust bei und es kam kaum in Betracht, 
daß Urban II 1089 vor dein Gegenpapst wieder aus Rom weichen mustO). 
Da indes klar sich zeigte, daß nur wenn das Kaisertum in Deutschland unter¬ 
lag, die Losreißung Italiens von demselben möglich war, so wurde ein wider¬ 
natürliches und betrügerisches Band zwischen den Gegnern jenes diesseit und 
jenseit der Alpen geknüpft. Um was anders focht Welf, als um eigne 
Fürstenmacht und Läuderbesitz? Welche verlockendere Aussicht konnte ihm 
eröffnet werden, als ein reiches Erbe in Italien für sein Haus? Um des 
willen konnte schon der 17jährige Sohn Welf sich eine mehr als 40 Jahre 
alte Frau gefallen laßen. Mathilde, der Kirche in allem sich zu fügen bereit, 
war schon an Führung von Scheinehe gewöhnt und fühlte sich stark genug den 
kaum den Knabenjahreu eutwachsueu Gemal in strengster Unterwürfigkeit 
zu halten. Die Ehe ward geschloßen, ohne daß der Bräutigam etwas davon 
erfuhr, daß Hab und Gut bereits von der Braut der Kirche vermacht seien 
1) Floto II 336 — 41. Giesebr. III 572 — 76. — 2) Hier sei nur erwähnt, daß 
er für seine Entscheidungen Geld zu nehmen sich nicht eutblödete. Floto II 371 f. 
— 3) Floto II 341. Giesebr. III 578—83. — 4) Floto II 342. Giesebr. III 584 f. 
— 5) Floto II 342. Giesebr. III 584 u. 619 f.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.