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Heinrichs IV spätere Negierung und Ende.
war, ausbrachen, aber dem Fortschreiten von Clemens' III Partei kein Ziel
setzten. Nachdem er auf der Synode zu Benevent Wibert gebannt, Hugo
von Lyon und Richard von Marseille aus der Kirchengemeinschaft aus-
geschloßen, jedoch auch das Jnvestiturverbot erneuert hatte, erlag er am
16. Dec. 1087 der von Tag zu Tag gewachsnen Krankheit').
5. So weit war es mit dem Cardinalscollegium rückwärts gegangen,
daß sich lange kein Platz zur Vornahme einer neuen Papstwahl fand. Anfang
1088 ward sie nach Terracina ausgeschrieben, aber denen, welche nicht
erscheinen könnten, die Einsendung schriftlicher Zustimmung zur Handlung
nachgelaßen. Über die Person herschte kein Zweifel. Otto von Ostia, von
Victor III, nachdem er sich mit ihm versöhnt, empfohlen, ward als Urban II
(12. März) gewählt (1088 — 99). Gewaltig durch seine Rede die Herzen
zu bewegen, aber schmiegsam in die Verhältnisse sich fügend und in der Wahl
der Mittel weder an die Sitten-, noch an die Kirchengesetze streng sich bindend^),
erstrebte er der Kirche die Weltherschaft. Dazu ergriff und verwirklichte er
die Idee, welche schon Gregor VII als im Zuge der Zeit liegend erkannt
hatte: indem er das Papsttum zum leitenden Mittelpunkt der großartigsten
Bewegung, des Waffenkampfs gegen die Nichtchristen, machte, erhob er dasselbe
in Wahrheit zur geistigen Spitze der gesamten abendländischen Christenheit.
Neues Leben kam in die Kirchenpartei, seine Botschaften nach allen Ländern
stellten die Einheit in derselben her und wenn auch nicht sofort vom Ausland
materielle Hülse ward, die Verhältnisse in der Nähe gestalteten sich schnell
günstiger ^). Ein Übereinkommen mit dem Kaiser Alexios stellte sich in
Aussicht und Graf Roger von Sieilten, der vollständigen Unterwerfung
des Eilands ganz nahe, vermochte, Urbans II Partei mit Begeisterung ergrei¬
fend, den Herzog Roger, dem der Beistand seiner dem Tod entgegen¬
gehenden Mutter Sigilgaita (ff 1089) nicht mehr so thatkräftig zur Seite
stand, Bohemund durch Abtretung Tarents nebst mehrern Burgen zu
befriedigen und auf der Synode zu Melfi (10. u. 11. Sept. 1089) dem
päpstlichen Stuhl den Vassalleneid zu leisten H. Obgleich Heinrich IV den
König Konrad (ob. 3) nach Italien gesandt hatte, fügte Mathilde dem
nach Ravenna zurückgekehrten Clemens III und der kaiserlichen Partei mit
Hülfe der Pataria und der Bürgerschaften ihrer Städte, welche sie durch Privi¬
legien an sich kettete, Verlust auf Verlust bei und es kam kaum in Betracht,
daß Urban II 1089 vor dein Gegenpapst wieder aus Rom weichen mustO).
Da indes klar sich zeigte, daß nur wenn das Kaisertum in Deutschland unter¬
lag, die Losreißung Italiens von demselben möglich war, so wurde ein wider¬
natürliches und betrügerisches Band zwischen den Gegnern jenes diesseit und
jenseit der Alpen geknüpft. Um was anders focht Welf, als um eigne
Fürstenmacht und Läuderbesitz? Welche verlockendere Aussicht konnte ihm
eröffnet werden, als ein reiches Erbe in Italien für sein Haus? Um des
willen konnte schon der 17jährige Sohn Welf sich eine mehr als 40 Jahre
alte Frau gefallen laßen. Mathilde, der Kirche in allem sich zu fügen bereit,
war schon an Führung von Scheinehe gewöhnt und fühlte sich stark genug den
kaum den Knabenjahreu eutwachsueu Gemal in strengster Unterwürfigkeit
zu halten. Die Ehe ward geschloßen, ohne daß der Bräutigam etwas davon
erfuhr, daß Hab und Gut bereits von der Braut der Kirche vermacht seien
1) Floto II 336 — 41. Giesebr. III 572 — 76. — 2) Hier sei nur erwähnt, daß
er für seine Entscheidungen Geld zu nehmen sich nicht eutblödete. Floto II 371 f.
— 3) Floto II 341. Giesebr. III 578—83. — 4) Floto II 342. Giesebr. III 584 f.
— 5) Floto II 342. Giesebr. III 584 u. 619 f.