Eindringen griechisch-orientalischen Wesens in Rom. 99
* Eindringen griechisch-orientalischen Wesens in tat.
Die gewaltige Ausbreitung der römischen Macht nach Westen und
Osten ging nicht ohne merkliche Umbildung des altrömischen Wesens
vor sich. Mit den Reichtümern und den zu Sklaven gemachten Be-
wohnern unterworfener Städte und Länder, die in Rom zusammen-
strömten, und der Rückkehr römischer Statthalter, Soldaten und
Verwaltungsbeamten aus den Provinzen gelangten auch fremde
Sitten und Anschauungen nach Rom und begannen längsam die
römische Eigenart umzugestalten. Besonders war es die höher
entwickelte griechische Kultur, welche seit den punischen und
macedonischen Kriegen ans den Nationalcharakter der Römer ein-
zuwirken begann. Griechisches Geistesleben, griechische Kunst
und Wissenschaft und die verfeinerte Lebensart, ja sogar die
Sprache der Griechen fanden in Rom immer mehr Freunde und
Schüler, zu denen keine geringeren Persönlichkeiten als die
Scipionen und Flamiuiuus, der Verkünder der griechischen
Freiheit auf dem Isthmus, gehörten. Da nun aber die
griechische Kultur, als sie den Römern bekannt wurde, schon in
dem Zustand .der Überreife war, so wirkte sie auf den Charakter
der Römer vielfach verweichlichend und entsittlichend ein und drohte
die Kraft des römischen Volkes zu untergraben. Deshalb fand
die zunehmende Hellenisieruug Roms auch Gegner, die dem ein-
reißenden orientalischen Luxus und Wohlleben zu steuern suchten.
Als der bedeutendste Vertreter altrömischer Einfachheit und Kraft
im Zeitalter der Scipionen that sich der Gegner Karthagos
Marcus Porcius Cato hervor, der von seiner Sittenstrenge als
Censor (184) den Beinamen Censorius erhielt. Auch sein seind-
seliges Verhältnis zu dem Sieger von Zama, den er samt seinem
Bruder wegen Verwendung der Gelder im syrischen Kriege an-
griff, war von dem Umstand mitbeeinflußt, daß die Scipionen
zu den ersten Gönnern griechischer Bildung in Rom gehörten.
Mit herber Strenge und schonungsloser Unerbittlichkeit führte Cato
seinen Kampf für die Wiederbelebung und Aufrechterhaltung
der altrömischen Tugend und gegen die Überhandnähme von
Üppigkeit und Schwelgerei. Er legte hohe Stenern ans Luxus¬
gegenstände, ließ Privatbauten, welche römische Große aus Staats-
grund aufführten, niederreißen, erhöhte die Pachtsummen sür die
Erhebung der Staatssteuern und strich vornehme Persönlichkeiten
rücksichtslos aus den Listen der Senatoren und Ritter, wenn sie
gegen die alte Sitte verstießen. Aber selbst Cato konnte die Ent-
Wickelung, die Rom einmal genommen, nicht mehr rückgängig
machen oder den Zeitgeist ändern, nnd so bequemte er sich noch
in hohem Alter zu dem Studium der ihm verhaßten griechischen
Literatur.