Full text: Bilder aus der schleswig-holsteinischen Geschichte

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Geist der Schule war, als er sie übernahm, kein lobenswertster;'die Jüng¬ 
linge hatten sich den Ausschweifungen ergeben. Vicelin wußte die Liebe zu 
den Wissenschaften in den meisten seiner Schüler wieder zu entzünden und 
ries sie zu einem gottseligen Leben zurück. Freilich war er strenge gegen 
seine Zöglinge wie gegen sich selbst, und einige derselben, die sich mit seiner 
Zucht nicht befreunden konnten, verließen die Schule. Diejenigen Schüler 
aber, welche ihm treu und folgsam blieben, hatten von seinem UÑerricht 
herrlichen Gewinn. 
Um sich selbst noch gründlicher zu unterrichten, ging er mit seinem Lieb¬ 
lingsschüler Dithmar nach Frankreich, wo damals.der berühmte An¬ 
selm lebte und lehrte. Hier entschloß er sich, die strengere Lebensart zu 
erwählen, sich der Fleischspeise zu enthalten, ein härenes Hemd auf dem 
bloßen Leibe zu tragen und die Andachtsübungen noch eifriger zu betreiben. 
Nach drei Jahren kehrte er nach Bremen zurück, entschlossen, in einen 
Mönchsorden zu treten. Sein geliebter Schüler Dithmar wurde Stistsherr 
in Bremen; Vicelin verzichtete auf diese Ehre und ließ sich in Magdeburg 
zum.Priester weihen, weil er sich berufen fühlte, ein Heidenapostel zu 
werden. 
Der Erzbischof von Hamburg, dem er sein Vorhaben entdeckte, über¬ 
trug ihm nun förmlich die slavische Mission und er begab sich.zu dem Wen¬ 
denfürsten Heinrich. Heinrich übergab ihm 1125 die Kirche zu Alt-Lübeck 
und Vicelin begann hier sein mühevolles Geschäft. Der Tod dieses christ¬ 
lichen Königs aber üöthigte ihn, seinen Platz wieder zu verlassen und nach 
Bremen zurückzukehren. 
Eine Visitationsreise des Erzbischofs nach den Kirchen in Nordelbingen 
eröffnete ihm die Aussicht auf ein neues Arbeitsfeld. Der Erzbischof kam 
nämlich mit seinem Gefolge, in welchem sich auch Vicelin befand, bei dieser 
Gelegenheit nach M eldorf. Aus Nah und Fern strömten die Gläubigen 
herbei, um an dem Gottesdienst Theil zu nehmen oder dem Kirchenfürsten 
ihr Anliegen auszusprechen. So erschienen denn auch Abgesandte aus 
Faldera, dem jetzigen Neumünster, um den Erzbischof um einen Priester 
zu bitten, der tüchtig wäre, dem bei ihnen in Verfall gerathenen Kirchen¬ 
wesen wieder aufzuhelfen. Der Prälat wandte sich an Vicelin. „Wenn du 
Lust hast," sagte er, ,,im Lande der Slaven zu arbeiten, so gehe mit diesen 
Leuten und bemächtige dich ihrer Kirche. Da sie auf der Grenze zwischen 
Holstein und Wagrien liegt, so wird sie dir beim Ein- und Ausgang in und 
aus Wagrien einen passenden Wohnplatz gewähren." Vicelin nahm den 
Antrag willig an. „Wollt ihr diesen rechtschaffenen und verständigen Priester 
haben?" fragte der Erzbischof die Männer aus Faldera. Als sie sich dazu 
bereit erklärten, übergab er ihnen den Vicelin und bat namentlich den ange¬ 
sehensten unter ihnen, der Markrad hieß und zuBornhöved wohnte, den 
neuen Priester anständig und würdig zu behandeln. 
Vicelin begab sich nun dahin, fand aber nur eine zerfallene hölzerne 
Kapelle, die vielleicht aus den Zeiten Ansgars stammen mochte. Vom 
Christenthum war bei den Bewohnern kaum mehr als der Name und einige 
Gebräuche vorhanden. Man verehrte die Haine und die Quellen umher. 
Vicelin sing nun an zu predigen und zwar wird erwähnt, daß er besonders 
die Macht des einigen Gottes, die Vergebung der Sünden und die Auser¬
	        
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