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Einleitung.
Musen, und die geheimnißvolle, furchtbarhcilige Hekate, die Göttin der Nacht, des
Schreckens und des Zaubers. Kronos ist der jüngste der Titanen; er entmannt seinen
Vater Uranos und reißt die Herrschaft an sich. Aus den auf die Erde rinnenden Bluts¬
tropfen entstehen die Erinyen (Eumeniden, bei den Römern Furien), die furchtbaren
in der Unterwelt hausenden Rachegeister, die mit Fackeln den Frevler verfolgen, und die
Giganten, das mächtigste Riesengeschlecht. Aus dem Meerschaum entsteht alsdann die
Göttin der Liebe (Aphrodite, Anadyomene, bei den Römern Venus), früher an Uranos
hastend (dahcrVenus Urania), jetzt ein besonderes Wesen. — In Verbindung mit dem
Meer (Pontos) erzeugt Gäa den Nereus, „das Meer in der freundlichen Erscheinung",
von dem das zahlreiche Geschlecht der Seenymphen, Nereiden, seinen Ursprung herleitet,
ferner die dem Meere inwohnenden großartigen und furchtbaren Er schein u re¬
ge n (Th a u m as, Phorkys, K eto). „Die Kinder von Thaumas sind Iris der Regen¬
bogen, nach dem Grundsätze, daß das Licht aus dem Wasser die Nahrung zieht, und die
Harpyien, wegraffende Wesen, Wirbelwinde, Wasserhosen, wie sie in Griechenland so
häufig sind; Phorkys und Keto rcpräsentiren das Schreckliche und Grausenhafte des Mee¬
res — beide verbinden sich in Liebe und bringen eine große Menge Fabelwesen hervor, die
Gräen, die Gorgon en" (darunter Medusa, deren schlangenbehaartes Haupt alles
Lebende in Stein verwandelt) u. a. m. Von Medusa's Sohn entstehen die Ungethüme
Kerb e r o s, H y d ra, C h im ä ra. — Auch die Nacht erzeugt aus ihrem dunkeln Schooße
allerlei Wesen von geheimnißvoller Wirksamkeit und öfters von verderblicher Natur; den
S ch las mit seinen Träume n, den To d und das Verhängniß (Ker) und vor Allen
die drei Moren (bei den Römern Parzen), K l o t h o, die den menschlichen Lebensfaden
beginnet, Lachesis, die ihn weiter spinnet und Atr öp o s, die Unabwendbare, die ihn
zerschneidet. Später heißen die Mören Töchter des Zeus und der Themis, als gerechte
Schicksalsmächte. — Nach Uranos führt Kronos (bei den Römern Saturnus), der
Repräsentant der Vorzeit mit dem erträumten Glück eines goldenen Zeitalters, die Herr¬
schaft. Hauptsitz seines Cultus waren die Inseln des ägeischen Meeres und Kreta; der
Mythos, daß er alle Kinder, die ihm seine Gattin Rh eia (Ky b ele) gebar, verschlungen
habe/ scheint auf eine Verwandtschaft seines Cultus mit dem Molochdienst der syrischen
und phönizischen Stämme zu deuten. Zeus, der jüngste seiner Söhne, wird durch die List
der Mutter unter dem Beistände der lärmenden Kur et en und Korybanten gerettet
und heimlich in Kreta auferzogen. Er beraubt den Vater der Herrschaft, nöthigt den¬
selben , die älteren Kinder hcrauszugeben und begründet nach einem furchtbaren Kampfe
mit den empörten Naturgewalten das Reich der olympischen Götter. Die Tita¬
nen und Giganten, die sich gegen das neue Götterregiment erheben und den Himmel
zu stürmen versuchen, werden überwunden und mit Ausnahme der Themis, des Okea-
nos und des Hyperion in dem Tartaros begraben. Selbst das letzte Geschöpf der Gäa,
Typhon, „der Repräsentant aller Schreckender heißen Sommertage, der Wirbelwinde
und Wasserhosen, ein Weh für den Himmel, der furchtbarste Feind der himmlischen Götter,"
muß besiegt der neuen Ordnung sich fügen.
§. 10. Die olympischen Götter. Im Reich der olympischen Götter ist Zeus
(bei den Römern Jupiter) Herr und König. Er ist der Hauptgott der Hellenen, dessen
Cultus sich von Thessalien aus, wo sich in Dodöna ein altehrwürdigcs Zeus-Orakel be¬
fand, mit der Zeit über ganz Griechenland verbreitet. Seinem Wesen nach ist Zeus Na¬
tur gott, Lenker des Himmels und der oberen Luftregion (Aether), durch deren Bewe¬
gung er Tage, Jahre und Jahreszeiten schafft, Winde erregt und Regen, Schnee und
Sonnenschein sendet. Darum ist er auch Vater der Horen, die vermöge dieser Abstam¬
mung den Umschwung des Jahrs und den Wechsel der Jahreszeiten vorstellen, während sie
als Töchter der Th emi s (Dike, Eunomia, Eirene) den geordneten Zustand des Men¬
schenlebens repräsentiren. Zeus ist Patriarch und wahrt die Rechte unter den Menschen;