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Das Mittelalter
ist, sich bei den genannten drei Königen aufzuhalten. Nicht zu billigen
aber wäre es, eine lückenlose Reihe der heimischen Fürsten einprägen
zu lassen,- eine ganze Rnzahl mittelalterlicher und auch manche neuzeit¬
liche Territorialfürsten können ohne Schaden im Dunkel der Unbekannt¬
heit bleiben.
Die außerdeutsche Geschichte des mittelalterlichen Europa pflegt im
Unterricht notgedrungen ganz in den Hintergrund zu treten, abgesehen
Don Italien, dessen Geschicke ja bis 1254 aufs engste mit denen Deutsch¬
lands verflochten sind. Für England, Nord- und Osteuropa wird das so
bleiben müssen, von Spaniens politisch-religiöser (Beschichte läßt sich
leicht eine Überschau gewinnen von drei Ansatzstellen her: 1. 711/732:
Ausblick in das Mittelalter; 2. bei Alfons von Kastilien: Überblick über
die damals bestehenden christlichen Staaten, die in den jetzigen Provinz¬
namen fortleben- 3. 1492 Rückblick auf das Erreichte, was endlich
Frankreich betrifft, so sollte man sich, wenn irgend die Zeit es gestattet,
die interessante Parallele seiner politischen Entwicklung zu der Deutsch¬
lands nicht entgehen lassen: Frankreich gelangt von der äußersten Zer¬
splitterung durch das Lehnswesen zur territorialen Einheit und von
einem bloßen machtlosen Scheinkönigtum zur straffen Monarchie, wäh¬
rend Deutschland am Ende des TTTittelalters dort steht, von wo Frankreich
ausgegangen ist. Dieses Stück französischer Geschichte kann fast anonym
gegeben werden, es handelt sich um ganz typische Vorgänge.1
Die mittelalterliche (Beschichte ist ja ganz von selbst, der Lehrer mag
wollen oder nicht, in ganz beträchtlichem Maße sog. Kulturgeschichte;
gerade in der Besonderheit, dem Anderssein ihrer Kultur von der un¬
serer Tage und im vergleich der verschieden gearteten Erscheinungen
liegt das Belehrende dieses Unterrichts. Fragt man aber nach einer aus
dem mittelalter stammenden Kulturschöpfung mit Gegenwartswert, so
bleibt außer dem gigantischen Bau der katholischen Kirche, den der Ge¬
schichtslehrer zwar fortgesetzt in seinen Unterricht einbeziehen, aber
1 Kls besonders charakteristisch für die Heiratspolitik der französischen Könige
pflege ich zu erzählen, wie das letzte selbständige Herzogtum, die Bretagne, für
die Krone gewonnen wurde. (Es kostete dies drei heiraten und drei Scheidungen:
nämlich die heiraten Annas von Bretagne mit Karl VIII. und Ludwig XII. und
ihrer Tochter aus zweiter Ehe, Claudia, mit Franz I., sowie die Scheidung
I. Annas von ihrem Bräutigam Maximilian, 2. Karls VIII. von seiner Braut
Margareta, Maximilians Tochter, 3. Ludwigs XII. von feiner ersten Frau Jo¬
hanna.