Die Uevermacht der Kirche im Zeitalter der Kreuzzüge. 513
dort eben so, wie zu Homers Zeit in Griechenland, von Festen und Mahlen un-
zercrennlich war, daß die Sänger der Tapferkeit und der Liebe dort sich bildeten
und ihre Muster suchten, daß endlich Dante und Petrarca aus diesen Quel¬
len tranken, ehe sie sich über die mittlere Höhe ihrer Nation emporschwangen;"
und in dem gesangreichen Spanien mit seiner melodischen Sprache boten die
Kampfe mit den Mauren eine unversiegbare Quelle zu Rittersagen und Helden¬
dichtungen, das verfeinerte Ritterthum mit seinen Turnieren und seiner Frauen¬
verehrung gab reichen Stoff zu lyrischen Gefangen der Liebe und der Mannes¬
kraft, und die südliche im Kampf mit den Mohammedanern gesteigerte Gluth des
Glaubens hauchte Begeisterung für Religion und christlichen Heiligendienst ein.
— Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die mittelalterliche Poesie ihrem Inhalte
nach in drei Gattungen zerfallt, in Heldengedichte und Heldenlieder
(Epopöen und R omanzen), sofern Ritterthaten, Kampfe, Abenteuer und
Liebesverhältnisse, die als nothwendiges Element der romantischen Poesie galten,
den Inhalt bildeten, in ly rische G e sang e, wenn der Dichter seine Empfin¬
dungen, Gefühle, Stimmungen oder Gedanken in melodischen zu Gesang und
Saitenspiel geeigneten Versen aussprach und in religiöse Dichtungen,
wobei bald die Ergüsse der Andacht und der religiösen Begeisterung bald die Lob¬
preisungen Gottes und der Maria, bald die frommen Thaten und Geschicke der
Heiligen den Stoff hergaben. — Die Dichter aller Arten erzählender und lyri¬
scher Poesie werden unter dem Gesammtnamen Troubadours und Trou-
v e res ziffammengefaßt. Kaiser, Könige, Fürsten und Edelleute jedes Ranges
setzten eine Ehre darein, zu den Troubadours gezahlt zu werden.
Am mannichfaltigsten waren die lyrischen Dichtungen, wozu auch die Lehrpoesie
zu rechnen ist. Die Liebeslieder in der verschiedensten Form, in heiterm oder elegi¬
schem Ton nahmen den größten Raum ein; enthielten sie die Erzählung eines Liebesaben¬
teuers in regelmäßigen Stanzen, so nannte man sie Romanzen; verwandt damit waren
die Lays, die einen tragischen Ausgang hatten und zur Harfe recitirt wurden. Sir-
ventes waren Spottgedichte, höhnende Lieder, woran die arabische Literatur reich war.
Tenzonen waren Wett- und Streitgesänge; Paftourelle, poetische Beschreibungen
ländlicher Gegenstände u. dergl. m. Die epischen Gedichte behandelten gewisse Sagen¬
kreise, die sich an mythische oder historische Personen anlehnten, theils aus der alten Welt,
wie der Trojanerkrieg und die Alexandersage, theils aus der christlichen Zeit,
wie die Sage von Karl dem Großen und seinen Paladinen, von Arthur und
seiner Tafelrunde, womit später die walisische Gralsage verbunden wurde u. a. m.
(s.Anhang §. 17. u.a.) —In der Reihe der Troubadours glänzten Kaiser Friedrich II.
und sein Kanzler Peter von Bin ca, Richard Löwenherz von England, Al¬
fons II. und Peter III. von Aragonien, Friedrich III. von Sicilien, ein Herzog von
Brabant, Thibault von Champagne und eine große Menge Grafen des südlichen
Frankreichs. Zu den gepriesenstcn gehörten der provenyalische Abt Foulques von
Toronet, Pierre Bi dal, Bernard von Be ntadour, Fulko von Marseille; Faydit,
von dem Dante sagt, daß seine Zunge Helm, Schild, Schwert und Speer sei; und
Bertrand von Born, dessen Sirventen, die von Mund zu Mund gingen, in den
Streitigkeiten Heinrichs II. von England mit seinen Söhnen eine solche Wirkung hcrvor-
brachten, „daß sie von der Garonne bis an den Ausfluß der Seine unaufhörlich Mord und
Todschlag vcranlaßten." — Unter dem Namen Fabliaur begriff man alle Arten „mora¬
lischer und wiederum leichtfertiger, scherzender, spottender und oft sehr obscöner Erzäh¬
lungen und Schwänke." Diese Gattung wurde von Frankreich nach Italien verpflanzt,
wo sie in Boccaccio einen talentvollen Bearbeiter fand.
Weber, Geschichte. I. O.Aufl. 33