Das Zeitalter Philipps II. und Elisabeths. 95
verwalten und durch spanische Truppen bewachen lasten wollte. Sein Stolz
und seine kalte Zurückhaltung verletzten den Bürger, und sein Haß gegen alle
Volksrechte machten ihn zum natürlichen Widersacher der Niederländer, deren
ganzes Wesen mit ihren ständischen Freiheiten verwachsen war. Unter diesen
Freiheiten standen Steuerbewilligung, unabhängiges Gerichts¬
wesen und Fernhaltung spanisch er Truppen und Beamten
obenan. — Es erregte gleich anfangs Neid, daß Philipp, als er seine Halbschwe¬
ster Margaretha von Parma, eine Frau von männlichem Geiste, zur
Statthalterin in Brüssel einsetzte, den ihr beigegebenen aus den ersten
Edelleuten des Landes gebildeten Staatsrath einem Ausländer —dem
arglistigen Kardinal Granvella, dem Sohn des kaiserlichen Kanzlers —-
unterordnete und eine spanische Besatzung im Lande ließ. Diese Mißstim¬
mung stieg, als zur Wahrung des reinen Glaubens und der kirch¬
lichen Ordnung die Ketzergesetze geschärft und die Errichtung von
14 neuen Bisthümern, die dem zum Erzbischof von Mecheln
erhobenen Kardinal Granvella untergeordnet, und wozu die nöthigen
Geldsummen aus andern Pfründen und Klöstern entnommen werden sollten,
befohlen wurde. Diese ohne Befragung der Stände vorgenommene
Vermehrung der vier bisherigen Landesbisthümer erregte um so größere Be-
sorgniß, als der letzte Zweck davon die Einführung der verfolgungssüchtigen
spanischen Inquisition schien, indem in der die Einrichtung dieser Bisthü-
mer betreffenden päpstlichen Bulle für jedes derselben zwei Inquisitoren
angeordnet waren und der Kardinal bereits den Titel eines Groß-Inqui¬
sitors führte. Vergebens suchte die patriotische, auf Beschützung der
Landesinstitutionen gegen die Zerstörungspläne der spani¬
schen Regierung bedachte Partei durch Petitionen und Gesandtschaften
den König zur Aenderung dieses verfassungswidrigen Verfahrens und zur
Abberufung des verhaßten Kardinals zu bewegen — Philipp gab auswei¬
chende Antworten und willigte erst in die von Granvella selbst dringend nach¬
gesuchte Beurlaubung, als Wilhelm von Oranien (Statthalter von Hol¬
land), Lamoral Graf Egmont (Statthalter von Flandern) und Graf Ph.
Ho orne den Staatsrathssitzungen nicht mehr beiwohnten und die Regentin
selbst auf dessen Entfernung drang. Aber Granv ella's macchiavelliftische
Ansichten fanden auch nach seiner Abberufung noch Vertheidiger, und des Kö¬
nigs gleichzeitiges Verlangen, die Beschlüsse des Tridentiner Concils
im Lande einzuführen, bewies, daß der Gedanke einer kirchlichen Gleich¬
förmigkeit tief in ihm liege und eine Milderung der Ketzergesetze oder eine
Gestattung von Glaubensfreiheit nicht zu erwarten sei. Dies ging auch aus
der Antwort hervor, die er dem von'dem Staatsrath und der Regentin nach
Madrid abgeordneten Egmont ertheilte „er wolle lieber tausendmal sterben
als die geringste Veränderung in der Religion gestatten." Geschärfte
Weisungen an die Inquisitoren und die zunehmenden Verfolgungen,
1559.
1264.