Full text: Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt

X. §. 2. Ursprüngliche Zustände in Griechenland. 117 
mochten ihre Kenntnisse und Geschicklichkeiten nur als ein Gemeingut 
auszubilden, festzuhalten und zu vererben. Bei den Mischvölkern 
Asiens sahen wir, wie allmälig alle Bildung, Macht und Herrlich¬ 
keit in die Person des Fürsten zusammengedrängt wurde, nur seinen 
Befehlen und Launen diente, und die Mafien nur um des Herrschers 
willen ihre Kräfte zusammenzunehmen schienen. In Griechenland 
War solches Verschmelzen zu größeren Massen gar nicht möglich. Die 
Natur des Landes, welches in eine Menge einzelner kleiner, in sich 
abgeschlossener Bezirke zerfällt, sondert auch die Bewohner in eben so 
viel kleine Staaten und Gemeinwesen aus einander und giebt den 
Bewohnern die verschiedensten Beschäftigungen und Richtungen ihrer 
Thätigkeit an die Hand. Das griechische Volk selbst bestand von 
Anfang an aus einer Anzahl verschiedener Stämme, deren Eigen- 
thümlichkeiten vielfach von einander abwichen, die zwar durch die 
gemeinsame Sprache und Grundrichtung ihres Gemüthes sich als zu¬ 
sammengehörig erkannten, aber in ihren scharf von einander geson¬ 
derten Dialekten auch schon den Beweis lieferten, daß jeder Stamm 
seine eigenthümliche Bestimmtheit sich bewahren und in abgesonder¬ 
ter Entwicklung sich in seinen eignen Bahnen versuchen wollte. 
Daß das Griechenvolk zu der großen Masse der j aph e t it ischen 
Geschlechter gehörte, ist unbestreitbar; ebenso, daß es von der großen 
Hauptfamilie der arischen Volker sich abgezweigt hat, die ursprüng¬ 
lich ihren Sitz auf den Hochflächen des westlichen Asiens hatten. Aber 
wann und wie es in die griechischen Länder eingewandert ist, wissen 
wir nicht. Im Anfang der Geschichte begegnen uns in Griechenland • 
zwei Volksnamen, Pelasger und Hellenen. Ob diese Namen aus 
eine verschiedene Abkunft oder nur auf ein verschiedenes Zeitalter und 
verschiedene Culturstufe desselben Volkes hindeuten, ist noch zweifel¬ 
haft*). Der Name Pelasger erscheint überall bei den ältesten 
Ansiedlern. Sie werden uns geschildert als ein ruhiges ackerbautrei¬ 
bendes Volk mit einfachen Göttergestalteu, welche uns an die arische 
Lichtreligion in mannigfacher Weise erinnern, deren Natur und Namen 
aber erst von den späteren Hellenen fester bestimmt und ausgeprägt 
sind. Die späteren Hellenen nämlich zeigen sich als ein schon 
bedeutend vorgeschrittenes, bewegliches und strebsames Geschlecht und 
überflügeln allenthalben die ruhigeren, schwerfälligeren Stämme der 
alten Bewohner, drängen sie aus den anlockenden und bevorzugten 
*) Vielleicht gab es eine Zeit, wo die Väter aller „javanischen" Stämme, von 
denen später nicht bloß Griechenland, sondern auch Italien besetzt wurde, 
sich in einem Theile Vorder-Asiens, etwa in Phrygien beisammen fanden, 
und von dort aus in getrennten Zügen nach Westen vorrückten, ein Thcil 
durch das nördliche Griechenland hindurch nach dem nördlichen Italien, ein 
anderer noch roherer Theil nach Griechenland, denen dann später andere 
schon cultivirtere Stämme eben dahin nachfolgten.
	        
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