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Anhang zum zweiten und dritten Abschnitt.
p. 262 n. 176) sei der Centenar der Schultheiss. Wenn in Baiern der Amts¬
name des Centenars neben centenarius und vicarius urkundlich Schultheiss sei, in
Alamannien seit fränkischer Zeit tribunus und sculthaizeo, centena und scultasia
identisch sei, in Italien der fränkische Centenar den altlangobardischen Namen
sculdahis, die Centene den Namen scultasia führe, so verdanke dieser Sprach¬
gebrauch dem überall gleichmässig wirkenden Einfluss der fränkischen Ein¬
richtung seinen Ursprung (p. 264).
Von den beiden Hundertschaftsbeamten der lex salica (s. o. p. 30 f.) sei der
vom Volk eingesetzte thunginus aut centenarius, d. h. der Richter der Hundert¬
schaft verschwunden (seine Gewalt ist auf den Grafen übergegangen), der andere
aber, der königliche Schultheiss der Hundertschaft, der sacebaro, finde sich
wieder in dem Centenar des fränkischen Reichs. So erkläre es sich, weshalb der
Name thunginus für den Centenar mit der Gründung des fränkischen Reichs ver¬
schwinde , während der Name sacebaro noch bis ins 7. Jahrhundert im Gebrauch
sei (265 n. 186). Doch in zwei Punkten habe sich die Stellung des sacebaro
verändert: er sei nicht mehr unmittelbarer königlicher Beamter, sondern Unter¬
beamter des Grafen und entbehre deshalb des dreifachen Wergeides; andrerseits
hätten sich seine Befugnisse erweitert, er sei nicht blos Schultheiss für die könig¬
lichen Gefälle öffentlichen Rechts, sondern auch Schultheiss für die Execution des
Privatanspruchs (d. h. des gerichtlichen Verfahrens).
Die im Vorstehenden skizzierte, mit einem grossen Aufwand von Scharf¬
sinn und Gelehrsamkeit durchgeführte Ansicht Sohms über die Stellung des
Centenars im fränkischen Reiche 1 wird ihre Haltbarkeit der Kritik gegenüber zu
bewähren haben, welche gewiss nicht ausbleiben wird. Sohms Argumentation
beruht mehr auf Rückschlüssen aus karolingischer Zeit, als auf directen Beweisen
für die merovingische Zeit; bedenklich ist der Wegfall des dreifachen Wergeides
beim sacebaro, künstlich die Unterscheidung zwischen mittelbaren und unmittel¬
baren Beamten des Königs, nicht recht wahrscheinlich die Annahme, dass das
Amt des sacebaro auf der einen Seite eine Ausdehnung seiner Befugnisse, auf
der ändern eine Verminderung seiner rechtlichen Stellung erfahren haben soll.
IV. Heerwesen.
‘Es wird jetzt allseitig anerkannt, dass die fränkische Heerverfassung auf
der allgemeinen Dienstpflicht beruhte; die früher verbreitete Meinung, dass
nur die Franken und unter diesen zunächst die Leudes dienstpflichtig gewesen
seien, ist als aufgegeben anzusehen’ (Roth Feud. 322). Das Verdienst, die
richtige Ansicht begründet zu haben, gebührt Lob eil, der Ulf. 421 ff. gegen
Eichhorn (I, 187 n. a) die Dienstpflichtigkeit der Romanen nachgewiesen hat.
Einer zusammenhängenden Untersuchung hat nachher Roth Bw. 177 ff. sich unter-
1) Die Unterordnung des Centenars unter den Grafen und seine Ernennung durch ihn
spricht übrigens schon aus Thudichum p. 45.49.