2. „Herr, Herr!" erschallt des Knechtes Ruf, 
„ein Nagel ging Euch los vom Huf, 
und schlagt Ihr nicht den Nagel ein, 
so wird der Huf verloren sein." — 
„Ei, Nagel hin und Nagel her! 
Der Huf hat ja der Nägel mehr 
und hält noch ohngefähr." 
3. Und wieder schallt des Knechtes Ruf: 
„Herr, losgegangen ist ein Huf, 
und schlagt Ihr nicht das Eisen an, 
so ist es um das Roß getan." — 
„Hufeisen hin, Hufeisen her! 
Das Rößlein hat Hufeisen mehr 
und geht noch wie vorher." 
4. Und eh' der dritte Ruf erschallt, 
da ist er an den Stein geprallt; 
das Rößlein liegt und steht nicht auf 
geendet ist des Herren Lauf. 
Er spricht nicht mehr: „Roß hin, Roß her!" 
Er rafft sich auf und schreitet schwer 
mit seinem Knecht einher. Friedrich Rückert. 
45. Das Wunderkästchen. 
ne Hausfrau hatte in ihrer Haushaltung allerlei Unglücks¬ 
fälle, und ihr Vermögen nahm jährlich ab. Da ging sie 
in den Wald zu einem alten Einsiedler, erzählte ihm ihre 
betrübenden Umstände und sagte: „Es geht ki meinem Hause 
nicht mit rechten Dingen zu. Wißt Ihr kein Mittel, dem Übel 
abzuhelfen?“ Der Einsiedler, ein fröhlicher Greis, hieß sie ein 
wenig warten, ging in die Nebenkammer seiner Zelle, brachte über 
eine Weile ein kleines, versiegeltes Kästchen und sprach: „Dieses 
Kästlein müßt Ihr ein Jahr lang, dreimal bei Tage und dreimal 
bei Nacht, in Küche, Keller, Stallungen und allen Winkeln des 
Hauses herumtragen, so wird es besser gehen. Bringt mir aber 
übers Jahr das Kästlein wieder zurück.“ 
Die gute Hausmutter setzte in das Kästchen ein großes Ver¬ 
trauen und trug es fleißig umher. Als sie den nächsten Tag in 
den Keller ging, wollte der Knecht eben einen Krug Bier heimlich
	        
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