276 Die märkischen Elbgegenden.
das Stift und seine Umgebung eine Lieblingsstätte geworden ist, ihre Lieder
singen und der leise Nachtwind träumerisch durch Laub und Rohr zieht! Wie
schön aber ist dieser abgeschiedene Klosterhof auch im Winter, wenn der grelle
Sonnenschein auf seinen charakteristischen Gebäuden ruht und nur das Herab-
tropfen des geschmolzenen Schneens die feierliche Stille unterbricht, welche über die
sonnig erglänzende Stätte sich breitet. Wie prächtig schimmern dann die dunkel-
grünen Moose und Flechten auf den tiefbraunen Backsteinen der Klostergebäude!
Von deu ehemaligen klosterlichen Beschäftigungen ist freilich den Stiftsdamen
nichts mehr geblieben, als die Pflege ihrer kleinen Gärten und die Sorge für
die treffliche Schule des Stiftes. Zu ihrer anspruchslosen Tracht hat Friedrich
der Große ihnen ein Ordenskreuz, auf der Brust zu tragen, verliehen. Wer
einmal Gast des Klosters gewesen, wird wissen, wie viel an Herzensgüte und
an ruhiger Heiterkeit bei den Konventualinnen auf dieser Stätte sich findet.
Doch wir haben außer Wilsuack und Heiligengrabe noch eine dritte Stelle
in den brandenburgischen Elblanden zu betrachten, welche, obwol sie jetzt außer-
halb der Grenzen der Provinz Brandenburg liegt, doch mit der Mark Branden-
bürg im engsten Zusammenhange steht: es ist dies die ehemalige Commende
Werben hart au der Elbe, aber auf dem linken Ufer des Flusses. Wir gelangen
am besten zu ihr, wenn wir von Wilsnack aus über Legde und Quitzöbel, die
Stammgüter des berühmten Hauses der Quitzow, zur Fähre an der Elbe uns
begeben. Bald liegt dann Werben, der Stammsitz der Johanniter in der Mark,
jetzt ein Jmmediat-Städtlein, vor uns.
Die geistlichen Ritter in der Mark haben freilich keine Geschichte anfzu-
weisen, wie ihre Brüder im heiligen Lande, auf Rhodus und Malta — keine
Geschichte reich au Thateu glänzender Tapferkeit und glaubensvoller Entsagung.
Aber auch die märkischen Johanniter und Templer sind Kämpfer des Kreuzes
gewesen und die ersten Pioniere deutscher Kultur im slavischeu Osten.
Albrecht der Bär schenkte im Jahre 1160 den Brüdern vom Spitale
St. Johannis zu Jerusalem die Stadt Werben. Nicht ohne tieferen Grund;
denn Werben war ein Platz, mit aller Macht umworben von slavischen uud
deutschen Waffen! Hier stießen die Grenzen der Daleminzier, Heveller und
Liutizen, dreier kriegerischer Slavenvölker, zusammen.
Fort und fort war Werben in den blutigen Kämpfen zwischen den Deutschen
(namentlich Sachsen) und den Slaven erobert nnd verloren worden; wer Werben
innehatte, gebot auch über den Elbpaß und die Straße nach dem Lande der
Obotriten. Seitdem die Brüder St. Johannis von Werben Besitz ergriffen
hatten, blieb die oft bestürmte Feste für immer in deutschem Besitz.
Die Kirche der Johanniter zu Werben bewahrt noch Denkmäler aus der
Ordeuszeit. Außer den Grabsteinen von Komthnren der ritterlichen Vereinigung
finden wir hier im Altare ein beachtenswertes Schnitzwerk, in einem großen Arm-
lenchter und in dem Taufsteine edle Werke alter Gießkunst. Uustreitig aber die
interessanteste Sehenswürdigkeit der Kirche zu Werben sind die Glasmalereien in
den Fenstern des hohen Chores. Wie frei die Johanniter des 15. Jahrhunderts
über die römische Hierarchie dachten, zeigen die Scheiben eines dieser Fenster, auf
welchem ein Papst, ein Bischof und mehrere Bettelmönche dargestellt sind, wie sie
an einem Stricke vom Teufel in den gähnenden Höllenrachen gezogen werden.
Aehnliche satirische Darstellungen finden sich übrigens häufig in der Mark.