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lichkeit und großem Gefolge einher. „Wenn auch darunter Karl noch nicht
ist", stöhnte Desiderius außer sich, „o so laß uns niedersteigen und uns in
die Erde bergen vor dem Angesichte dieses gewaltigen Feindes."
Odger schwieg eine Zeitlang und sah stumm dem Schauspiele zu, wie
all das ungeheure Heer sich rings um die Stadt zu ordnen und zu lagern
begann. Und vor seinem Geiste stieg die Erinnerung aus seinen glücklicheren
Tagen auf, als er noch am Hofe Karls lebte und dessen herrliche und un¬
vergleichliche Macht täglich schauen konnte. Da brach er endlich in die
Worte aus: „Merke auf, König Desiderius! Wenn du die Saat auf den
Feldern wirst von ehernen Lanzen starren sehen; wenn die Flüsse, der Po
und der Tissino, dunkel werden von all dem Eisen, das sich in ihren
Fluten widerspiegelt; wenn ein Meer von eisenschwarzen Rüstungen gegen
deine Stadtmauern heranbrandet und sie überschwemmen will — dann
erwarte, daß Karl kommt:."
Kaum hatte er so zu dem entsetzten Könige gesprochen, als sich's im
Westen wie eine schwere, dunkelschwarze Wolke zeigte, die den hellen Tag
verdüsterte und sich langsam, drohend gegen die Stadt heranwälzte. Immer
näher kam es heran und immer deutlicher sah man: es war ein unabseh¬
bares Heer von dunkelgepanzerten Eisenreitern, starrend von furchtbaren
Lanzen und Schwertern. Und in ihrer Mitte ritt einer, der überragte
alle um Haupteslänge, gerüstet mit einem Eisenhelm, in eisernen Bein¬
schienen, mit eisernem Panzer um die breite Brust, eine Eisenstange in
der Linken hochaufstreckend. In der Rechten hielt er das gewaltige Eisen¬
schwert, der Schild war ganz aus Eisen, und auch sein Roß, ein riesiger
kohlschwarzer Rappe, schien eisern an Farbe und Kraft. Und alle die
Scharen, die ihm vorauszogen, zur Seite waren und ihm nachfolgten, ja,
wie gesagt, das ganze Heer schien auf gleiche Weise ausgerüstet.
Nur einen schnellen Blick warf Odger auf die furchtbare Erscheinung,
dann rief er aus: „Da hast du endlich den, nach dem du so viel gefragt,
den eisernen Karl selber!" Und von Entsetzen gepackt, stürzte er ohn¬
mächtig zu Boden.
3. Auch Desiderius' Mut und Hoffnung waren gebrochen. Nur sein
tapferer Sohn Adelgis leitete noch längere Zeit die Verteidigung der
Festung gegen die Franken. Aber schließlich mußte auch er bei der
wachsenden Hungersnot in der engumschlossenen Stadt jede Hoffnung
aufgeben; doch gelang es ihm, bei Nacht heimlich zu entkommen und zu
dem oströmischen Kaiser nach Konstantinopel zu entfliehen. Desiderius
dagegen ergab sich nun mit der Stadt und der Königsburg dem Sieger.
Er verlor seine Krone und sein Land, mußte in den Mönchsorden der
Benediktiner eintreten und wurde nach dem fränkischen Kloster Corbie geschickt.
Karl aber nahm das ganze Reich in Besitz und setzte sich die lombardische