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Geismar, [taub eine uralte Eiche, welche dem Donnergotte ge¬
weiht war. Hier pflegten die Einwohner zusammenzukommen
und ihre Opfer darzubringen. Bonifacius kam in diese Gegend.
Er wußte, daß das Volk diesen Baum für unverletzlich hielt,
und beschloß, die Heiden von der Nichtigkeit dieses Glaubens
zu überführen; denn er selbst — so erklärte er — werde die
Axt an beit Baum legen, und der Donnergott werde dieses Hei¬
ligthum nicht schützen. Bonifaeius mit seinen Begleitern thaten
dieß, und die Zuschauer warteten, daß die beleidigte Gottheit
alsbald die Frevler strafen werde. Als aber der Stamm sich
zur Erde zu neigen begann und dann, wie auf wunderbare Weise,
in vier Theile gespalten, auf dem Boden lag, erkannten die Ver¬
sammelten die Ohnmacht ihrer Götter, wendeten sich dem allmäch¬
tigen Gotte, welchen Bonifacius ihnen verkündete, zu, und ließen
sich taufen. Aus dem Holze des gefällten Stammes ließ Boni¬
facius ein Kirchlein bauen. Mit gleich günstigem Erfolge machte
er auch der Verehrung anderer Götter ein Ende und breitete
immer mehr das Christenthum aus. Auch ließ er, da sein Werk
so erfolgreich war, noch andere Lehrer aus England kommen,
gründete Kirchen, errichtete Bisthümer nnd stiftete eine Menge
Klöster.*) Die Mönche in den Klöstern wurden zum Fleiße an¬
gehalten. Sie beschäftigten sich entweder mit Lesen und erwei¬
terten dadurch ihre Kenntnisse, die sie nun Andern mittheilen
konnten, oder sie schrieben alte Handschriften ab — denn damals
war die Kunst, Bücher zu drucken, noch nicht erfunden — oder
sie schrieben die Geschichte der Länder und Völker und die Tha¬
ten der Heiligen auf, oder sie rodeten die unnützen Wälder aus
und machten den Boden weit umher zum Ackerbau geschickt; kurz
sie wurden auf mancherlei Weise den Völkern nützlich und waren
in dieser Zeit ein wahrer Segen des Landes.
In der Folge begab sich Bonifacius nach Baiern, um
hier das Christenthum thcils zu verkündigen, theils die schon
bekehrten Christen, die doch oft noch sehr heidnisch lebten, auf
einen bessern Weg zu bringen.
*) Das erste Kloster, welches er in Deutschland baute, hieß „AmauabergÜ
d. h. Burg au der Ohm (Nebenfluß der Lahn).